In der Apothekenwelt sind männliche Kollegen in seinem Beruf nach wie vor eher die Ausnahme als die Regel. Andreas Scholz hebt sich aber nicht deshalb, sondern durch seinen außergewöhnlichen Werdegang ab. Der gelernte Pharmazeutisch-kaufmännische Assistent (PKA) hat sich zum „Akademischen Marketing- und Sales-Manager“ weitergebildet. Neben seiner Stelle in der Apotheke arbeitet er in einer Wiener Marketingagentur, die sich auf Kommunikation und Wissensvermittlung für Apotheken spezialisiert hat. Dort wirkt er durch seine Expertise bei der Schaufensterpräsentation mit. Sein Ziel ist es, die Gestaltung des Schaufensters mit den Erkenntnissen der Verkaufspsychologie in Einklang zu bringen.
Was für Scholz in seiner Lehrzeit zu kurz gekommen ist, holte er mit einem berufsbegleitendem Universitätslehrgang in „Marketing & Sales“ an der Wirtschaftsuniversität (WU) in Wien nach. 2023 begann er das Studium, das er in drei Semestern mit dem Titel „Akademischer Marketing und Sales Manager“ abschloss. „Abgekürzt wird die Ausbildung auch mit AMS, das mag ich nicht so gerne“, scherzt Scholz.
Geplant war die PKA-Lehre ursprünglich nur als Überbrückung bis zur Volljährigkeit. Er erinnert sich: „Ich wollte eigentlich zur Polizei gehen. Bis dahin wollte ich etwas mit medizinischem Hintergrund machen.“ Die Faszination für pharmazeutische Themen kam schnell. Ebenso das Gefühl, dass der wirtschaftliche Aspekt im Apothekenalltag oft zu wenig Beachtung findet. Zwischen seinem 18. und 21. Lebensjahr holte Scholz die Matura nach – mit dem damaligen Ziel, Apotheker zu werden.
Wirtschaft und Metal statt Pharmaziestudium
Pharmazie hat er letztendlich nicht studiert, der Wissensdurst blieb dem Wiener jedoch erhalten. Er absolvierte Fortbildungen mit wirtschaftlichem Fokus und lernte bei einem Seminar Hannes Rain kennen. Dieser hält mit seiner Agentur „Visual Marketing Design“ (VMD) Vorträge für Apotheken zu Themen wie Wirtschaft, Kommunikation oder Vertriebsschulungen ab.
„Durch unseren gemeinsamen Musikgeschmack – Metal – sind wir im Kontakt geblieben. Seit nunmehr fünf Jahren arbeite ich in meiner Freizeit oder an Wochenenden als freier Dienstnehmer für Hannes“, erinnert sich Scholz. „Ich unterstütze bei der Warenpräsentation und der gezielten Gestaltung von Apotheken-Schaufenstern. Zuerst hatte ich keinen wirtschaftlichen Hintergrund und musste viele Begriffe aus der Werbung googeln“, erzählt Scholz lachend.
Schaufenster-Dekoration ungleich -Präsentation
Wichtig ist ihm vor allem, den Unterschied zwischen Schaufensterdekoration und Schaufensterpräsentation klarzustellen: „Bei einer Dekoration stellt man Produkte einfach nur ins Schaufenster. Eine gute Präsentation berücksichtigt dagegen, wer daran vorbeigeht: Berufspendler? Sportliche Fahrradfahrer? Sie nutzt verkaufspsychologische Konzepte, um gezielt den Absatz zu steigern.“ Ein Bereich, in dem es laut Scholz vielerorts noch Aufholbedarf gibt.
Seine Meinung zu lieblosen Gestaltungen bringt er pointiert auf den Punkt: „Manche Auslagen sehen aus, als hätte man 20 Packerl einfach hineingequetscht. Da denke ich mir: Dann lieber einen Blumenstrauß hineinstellen – und gut ist.”

Seit mittlerweile zehn Jahren arbeitet Scholz in der Offizin. Der direkte Kundenkontakt an der Tara macht ihm am meisten Freude. “Ich verbringe etwa 90 Prozent meiner Arbeitszeit im Verkauf. Ich setze mir selbst Ziele wie zehn sinnvolle Zusatzverkäufe am Tag, um mich zu fordern.” Diese Motivation teilt er gern mit Kolleg:innen. „Manchmal machen wir kleine Challenges und führen eine Stricherlliste.“
Geschlechterrolle in der Apotheke
Das Thema Männer in der Apotheke findet er besonders spannend: „Ich habe das nie als etwas Besonderes wahrgenommen. Häufig habe ich gehört, dass Männer Ruhe in ein sonst weiblich geprägtes Team bringen. Ansatzweise gemerkt habe ich das erst, als ich in einem komplett männlichen Team bei der Rettung war. Dort werden Konflikte offen und direkt angesprochen, und dann ist es auch wieder erledigt. Das geschieht in der Apotheke meiner Erfahrung nach etwas indirekter.“
Lehrling als Kosmetikexperte
Während seiner Lehrzeit war Scholz als „der Kosmetik-Experte“ bei seinen Kund:innen bekannt. „Mit ungefähr 15 Jahren habe ich mich in die Welt der Cremes und Anti-Ageing eingelesen. Unsere Kundinnen habe ich zu den neusten Trends beraten und das, als ich gerade selbst in der Pubertät war. Das war schon sehr lustig, kam aber gut an“, erinnert er sich zurück.
Auch über den Tellerrand hinauszublicken ist für Scholz essenziell – nicht nur in der Kosmetik, sondern auch in andere Branchen. „Natürlich haben wir in Apotheken gesetzliche Rahmenbedingungen. Aber man kann viel von anderen Branchen lernen. Wenn Fastfood-Ketten Selbstbedienungspanels einsetzen oder Warenhäuser mit Leitsystemen arbeiten, dann sollten wir genau hinschauen. Sie wissen, was sie tun.“ Er plädiert für ein breiteres Vernetzen mit anderen Branchen und rät Apotheken, „mit der Zeit zu gehen“.
„Freundlichkeit ist ein Hygienefaktor“
Am Herzen liegt ihm auch das Thema „Freundlichkeit“. „Früher war sie vielleicht ein Alleinstellungsmerkmal der Apotheken, aber heute ist sie das absolute Minimum.”
Sie sei nicht mehr der alleinige Grund, warum Kundschaft eine bestimmte Apotheke aufsucht. „Freundlichkeit ist ein Hygienefaktor. Wird ein Kunde beispielsweise nicht gegrüßt oder ist das Personal unfreundlich, ist das wie ein Restaurant ohne Sessel. Da setzt sich auch niemand hin. Das muss uns allen bewusst sein. Und genau dadurch können wir im Unterschied zu den online Apotheken glänzen.“

Privat ist der wissbegierige Wiener vor Kurzem Vater geworden. Seit Ende Juni ist er aus der Karenz zurück und genießt nun wieder seine Zeit in der Apotheke – mit einem geschärften Blick für die wirtschaftlichen Details.