Hannes Rain beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit dem Thema Marketing und Kommunikation. Er ist Gründer der VMD-Agentur (Visual Marketing Design) und kennt die Branche wie kaum ein anderer. Er begleitet Apotheken durch den „Werbedschungel“: Von der Planung von Apotheken bis zur strategischen Sortimentsplanung. TARA24 hat mit ihm über häufige Fehler, die Wichtigkeit klarer Konzepte und die unterschätzte Kraft von Fortbildungen gesprochen.
Hannes Rain gründete 1994 seine VMD-Agentur und arbeitet seither mit seinem Team, das unter anderem von PKAs und Pharmazeuten unterstützt wird. Neben seiner Tätigkeit im Apothekenmarketing war er auch in der Kunstwelt aktiv und gestaltete unter anderem Ausstellungen für Salvator Dali und Pablo Picasso. Eine Erfahrung, die ihm bis heute in Fragen der Präsentation, Wirkung und Raumgestaltung zugutekommt.
Präsentation, keine Dekoration
„Das Wort Dekoration gibt es bei uns nicht“, stellt Rain gleich zu Beginn klar. „Hinter jeder Gestaltung steckt ein Gedanke nämlich den Verkauf zu fördern. Selbst der Christbaum im Verkaufsraum ist keine reine Zierde.“
Was auf den ersten Blick nach Erbsenzählerei klingt, hat einen durchdachten Hintergrund: Im Gegensatz zur Dekoration, die rein der Verschönerung dient, verfolgt die Waren-Präsentation ein Ziel. Sie soll gezielt Aufmerksamkeit erzeugen und Kaufimpulse auslösen. Auslagen sind demnach Verkaufsflächen, keine Bühne für persönliche Vorlieben. „Es ist nicht wichtig, was mir persönlich gefällt. Jeder hat einen anderen Geschmack“, betont Rain. Entscheidend ist, was dem Konzept dient: „Es gibt richtig und falsch. Das muss man gelernt haben.“
„SchauFenster“ statt Schaufenster: Wie die Auslage heute funktioniert
Während ältere Generationen das Schaufenster früher aktiv zur Informationsgewinnung nutzten („Schau ein Fenster, was gibt’s denn Neues?“), informiert sich ein Großteil der Kund:innen heute über soziale Medien oder Onlinesuchen. Dennoch hat die Auslage keineswegs ausgedient. Im Gegenteil:
„Die Auslage dient heute als Botschaftenüberbringer. Sie soll eine Reaktion hervorrufen und Aufmerksamkeit erregen. Als Teil der Kommunikationshierarchie dient es der Förderung des Verkaufes in der stationären Apotheke.“

Digitale Elemente kommen zunehmend zum Einsatz. Immer mehr Apotheken setzen Bildschirme in der Auslage ein. Auch hier hat Rain klare Regeln für den Erfolg: „Bei mehreren Bildschirmen und bewegten Bildern sollen diese synchron laufen – zur selben Zeit überall dasselbe Bild. Zu schnelle und zu viele Bilder mit verschiedenen Botschaften wirken kontraproduktiv. Es reicht ein Bild mit einer Botschaft.“ Es gilt zu beachten auf keinen Fall zu viel Information anzubieten, denn „zu viel Information ist keine Information“, rät der Experte.
„Predigen, Predigen, Predigen“
„Predigen, Predigen, Predigen“, lautet das Motto der Werbung. „Hängen bleibt, was sehr oft wiederholt wird“, erklärt der Werbefachmann. „Genau deshalb sollten die Social-Media-Kanäle der Apotheke die Themen der Auslage gezielt aufgreifen.“ Und das erfordert Planung, so Rain: „Da sollte es nicht einfach heißen: ‚Machen wir schnell das Schaufenster.‘ Es muss ein Konzept geben. Themen und Inhalte zu finden, erfordert viel Denkarbeit. Das eigentliche Herrichten ist oft weniger zeitintensiv.“
Category Management: Strategie statt Bauchgefühl
Was bedeutet Category Management konkret? „Category Management in der Apotheke bedeutet die strategische Planung und Steuerung des Sortiments, um Einkauf, Platzierung und Verkauf optimal aufeinander abzustimmen“, erklärt Rain. Ziele sind eine bessere Kundenorientierung, effizientere Flächennutzung und letztlich eine höhere Rentabilität.

Verdrängungswettbewerb
Ein häufiger Fehler in Apotheken? Eine zu „semi-professionelle Einstellung zum Einkauf“, wie Rain es nennt. „Ein guter Einkauf braucht eine Planung: Wie soll mein Sortiment aufgestellt sein?“
Im Verkauf herrscht ein Verdrängungswettbewerb. So kann es unvorhergesehene Konsequenzen haben, ein neues Produkt einfach irgendwo dazuzustellen: „Wird ein neues Produkt eingeführt, kann es das Konzept der Sichtwahl oder Freiwahl komplett ändern. Es sollte nicht einfach hingestellt werden, nur weil es neu ist. Stattdessen müsse überlegt werden, ob das neue Produkt überhaupt ins Sortiment passt.“ Category Management ist daher ein ständiger Prozess und kein einmaliges Aufräumen, erklärt er.
„Ein totes Produkt ist schädlicher als ein leeres Regal“
Deutlich wird Rain, wenn es um schlecht laufende Produkte geht:
„Ein totes Produkt, also ein nicht drehendes, ist schädlicher, als ein leerer Platz in der Sicht- oder Freiwahl.“ Deshalb sei es so wichtig, die Verkaufszahlen kontinuierlich zu analysieren und schwache Produkte aktiv auszusortieren. Die Platzierung der Produkte ist eine strategische Entscheidung: „Welchen Firmen will ich viel Platz geben und dadurch den Verkauf forcieren? Welche Produkte verkaufe ich derzeit und möchte ich sie eigentlich verkaufen?“, diese Fragen sollten sich Apothekenbesitzer:innen laut Rain stellen.
Cross-Selling: Nach Marke und nicht nach Indikation
Auch bei der Produktpräsentation hat Rain eine klare Meinung:
„Es herrscht ein großes Markenbewusstsein, da viele Hersteller auf ein Vollsortiment setzten. Hat der Kunde ein Gelenksprodukt der Firma XY probiert und es hat ihm gutgetan, merkt er sich das und kauft auch das Sportprodukt der Marke XY.“ Daher empfiehlt er, nach Marken und nicht nach Indikation zu sortieren.
Wer den Verkauf der eigengebrandeten Marke, wie Rain Eigenmarken nennt, ankurbeln möchte, kann das gezielt steuern: „Man kann sie in Szene setzen, indem man sie beispielsweise zwischen ein Mainstream-Produkt und ein High-End-Produkt stellt.“ Auch das ist Teil einer durchdachten Sortimentsplanung – Stichwort „ABC-Analyse“.
Kennzahlen greifbar machen
Doch wie kann man wissen, ob eine Maßnahme tatsächlich funktioniert hat?
„Zuerst brauche ich einen Plan und definierte Ziele. Dann kann ich anhand von Zahlen meinen Erfolg messbar machen und Lehren aus der Vergangenheit ziehen“, betont Rain.
Dabei gehe es nicht nur darum, zu analysieren, was schlecht gelaufen ist, sondern vor allem auch, warum etwas gut funktioniert hat: „Ich kann dann sagen: Ich habe mein Ziel erreicht, weil ich dieses und jenes getan habe. Somit macht man den Erfolg wiederholbar und erlebbar.“
Für Hannes Rain sind vor allem zwei Kennzahlen entscheidend: Stückzahl und Netto-Umsatz. „Die Stückzahl ist essenziell. Ich muss wissen, wie viel ich verkaufe, also die Drehung in einem gewissen Zeitraum berechnen, und wie viele Packungen ich in ein Regal stellen kann. Der Netto-Umsatz macht den Verkauf in Summe messbar.“ „Natürlich sind auch der Kunden-Euro und die Kundenfrequenz zu beachten“, fügt er hinzu.
Beim Deckungsbeitrag sieht er eine Herausforderung: „Er lässt sich schwer an die Mitarbeiter:innen kommunizieren. Wenn ich ihnen sage, ‚wir müssen 8.000 Euro Deckungsbeitrag erwirtschaften‘, weiß niemand, was zu tun ist. Aber wenn ich sage: ‚Wir müssen diesen Monat mindestens 50 Stück von Produkt X verkaufen‘, dann kann sich jeder etwas darunter vorstellen.“ Entscheidend ist es eine Zielzahl und Zielzeit anzugeben.
„Fortbildungen sind heute ein absolutes Muss“
Abschließend macht Hannes Rain klar, woran seiner Meinung nach der langfristige Erfolg einer Apotheke hängt: „Wer das Thema Marketing und Category Management nicht ernst nimmt und seine Mitarbeiter:innen nicht schult, wird weniger erwirtschaften. Da bin ich mir zu 100 Prozent sicher.“
Denn Regalpflege allein reiche nicht mehr: „Das ist nur der letzte Schritt einer ganzen Kette an Entscheidungen. Die Mitarbeitenden gehören eingebunden und sie brauchen genügend Zeit und Schulungen, um sich in das Thema einzuarbeiten.“
Privat ist der Marketingexperte leidenschaftlicher Rennradfahrer, spielt in seiner eigenen Rockband und ist bekennender Fan seiner zwei Kater. Vor allem aber ist er gerne direkt vor Ort in den Apotheken unterwegs: „Ich bin nicht der Typ Chef, der im Elfenbeinturm sitzt“, sagt er und schließt mit einem klaren Statement: „Als Berater und Chef einer Agentur die Apotheken betreut, ist man nur glaubwürdig, wenn man vor Ort arbeitet und mitten im Geschehen ist.“
