Was der Großhandel nicht (mehr) hat, könnte doch noch in einer anderen Apotheke vorrätig sein. Auf diesem Gedanken beruht die eben von der Apothekerkammer gestartete neue “Versorgungsplattform”. Apotheken, die sich an diesem System beteiligen, können über die Kammer-Server ein dringend benötigtes Medikament suchen – und hoffentlich im Lager einer anderen Apotheke finden. Eine Plattform, die ohne wirtschaftliches Interesse auf freiwilliger Basis läuft und zeigen wird, ob Österreichs Apotheken zusammenhalten und sich gegenseitig unterstützen – zum Wohle der Kundinnen und Kunden.
Grundsätzlich soll die neue “Versorgungsplattform” zwei Ziele verfolgen: Die Kontrolle zur Abgabe staatlicher Ware und die apothekenübergreifende Zusammenarbeit bei Lieferengpässen. Die Ausgangsidee für die digitale Plattform war, für die Zahler und Auftraggeber staatlicher Ware (z.B. Gesundheitsministerium und ÖGK) eine Möglichkeit zu schaffen, jederzeit über die Verteilung und Lagerstände der jeweiligen Bundesware Bescheid zu wissen. Damit man nie wieder in die Bredouille kommt, für verschwundene Corona-Medikamente geradestehen zu müssen.
Aus “Paxlovid-Verschwinden” gelernt
Das zweite Ziel ist aber ein viel realeres und für die meisten Apotheken tägliche – leidvolle – Praxis: Ein Medikament wird dringend benötigt, ist aber über den Großhandel aktuell nicht verfügbar. Die neue IT-Lösung bietet hier die Möglichkeit der “Nachbarschaftshilfe” und unterstützt die Verfügbarkeitsprüfung von Arzneimitteln durch apothekenübergreifende Zusammenarbeit.
Mag. Viktor Hafner, Konzessionär der Linden Apotheke in Wien Hernals, konnte die neue Platform bereits einige Monate als Pilotbetrieb testen und ist von dem System begeistert: „Ich kann nur die Lanze dafür brechen. Das ist ein weiteres, sehr wichtiges Tool, damit wir unsere Patienten versorgen können.” Das System beruht auf Freiwilligkeit. Niemand wird gezwungen, den Zugriff auf seine Bestände zu gewähren. Ein solidarischer Schulterschluss der Apothekerschaft ist aber nicht nur ein sozialer Akt den Patient:innen gegenüber, sondern bringt auch Mehrwert für die Apotheke, die ihre Kundschaft bisher häufig wegschicken musste. „Oft kommen ja jetzt schon Anfragen von Kunden, ob wir nicht `schauen können, ob das noch wer lagernd hat´ – und genau das können wir nun auch damit”, freut sich Hafner. „Das heißt, ich schicke nicht den Kunden weg mit der Aussage `schau dich selber um´, sondern wir machen das für unsere Kundinnen und Kunden.” Ein echtes Service, das von der Stammkundschaft geschätzt wird.
Kundenbindung statt Kundenverlust
Der neu ermöglichte Austausch zwischen den Apotheken stärkt die Funktion als wichtige Gesundheits-Anlaufstelle und die Strahlkraft des “roten A”. Das sieht auch Hafner so: “Durch unsere Kompetenz und Kenntnis können wir die Kaskade der Möglichkeiten gut einschätzen: Habe ich das Produkt lagernd, bekomme ich es über den Großhandel oder eventuell als Direktimport, besteht die Möglichkeit einer magistralen Herstellung und jetzt eben erweitert um die Option, dass es eine andere Apotheke lagernd hat. Damit erhöhen wir die Versorgungssicherheit nochmals um ein paar Prozentpunkte – und ich denke, es ist auch großartig für die Öffentlichkeitsarbeit!”
Dass man durch die Teilnahme an der “Versorgungsplattform” keine Kunden verliert, sondern vielmehr die Bindung stärkt, hat Hafner selbst erlebt: „Gleich am ersten Tag, an dem ich das System testen konnte, hatte ich folgenden Fall: Freitag nachmittag, Xorox Augensalbe dringend notwendig, nichts Gleiches verfügbar, für Deutschlandimport zu spät – aber über die Versorgungsplattform habe ich dann eine Apotheke im Nachbarbezirk gefunden. Für die Kundin war es sogar ok, dass sie direkt hinfährt. Es hat alles geklappt, die Kundin war super happy und kam dann sogar nachher nochmals zu uns, um sich zu bedanken – also eine klare Win-Win-Situation.”
Gratis und freiwillig
Die “Versorgungsplattform” ist für teilnehmende Apotheken kostenlos. Sie bietet ein sicheres Serviceangebot der Österreichischen Apothekerkammer, verfolgt keine wirtschaftlichen Ziele und wird außerhalb jeglicher privatwirtschaftlicher Profitinteressen betrieben. Hafner ist von der Idee begeistert: “Ich finde es eine großartige Sache! Wenn wir das nun umsetzen und möglichst viele Apotheken dazu gewinnen, mitzumachen, dann haben wir wirklich etwas Einzigartiges in Österreich.”