Die Konsequenzen des Klimawandels sind längst nicht mehr zu leugnen. Zunehmend rückt nun der Fakt in den Fokus, dass auch Arzneimittel entscheidend ins Ökosystem eingreifen können. In Österreich hat sich Anfang dieses Jahres daher eine Gruppe motivierter Apothekerinnen und Apotheker zusammengefunden – mit dem Ziel, mehr Umweltbewusstsein in der Pharmazie auf nationaler Ebene zu fördern. Unter dem Motto „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“ wollen sie durch Beratungsarbeit die Bevölkerung für Themen wie Ressourcenschonung sensibilisieren. Gleichzeitig möchten sie durch Aufklärung nachhaltiges Handeln in den Alltag von Apothekenbetrieben integrieren.
Inspiriert vom Vortrag des deutschen Gründungsmitglieds der Pharmacists for Future, Patrick Neumann, am ApoKongress zum Thema „Umweltmedizin und Klimawandel“, wurde im Februar 2025 die österreichische Initiative der Pharmacists for Future (P4F) ins Leben gerufen. In Deutschland ist die Initative bereits seit 2021 aktiv.
„Das Thema Nachhaltigkeit ist uns allen sehr wichtig“, erklärt Mag. Nina Gludovatz, Präsidentin der P4F in Österreich. „Wir haben uns am besagten ApoKongress zusammengefunden und beschlossen, gemeinsam für das Thema Klimaschutz und Umwelt in der Pharmazie aktiv zu werden. Derzeit sind wir eine Gruppe von sechs Personen – bestehend aus Krankenhaus- und öffentlichen Apotheker:innen. Auch eine Kollegin aus dem Bereich pharmazeutische Kommunikation zählt zu unseren Mitgliedern.“
Gemeinnützig und unpolitisch
Die P4F sehen sich als Plattform zur Förderung von Klimaschutz und ökologischer Verantwortung im pharmazeutischen Berufsfeld. „Wir verstehen uns als gemeinnütziger Verein, der unpolitisch und auf non-profit-Ebene agiert. Deshalb verlangen wir aktuell keinen Mitgliedsbeitrag. Wir möchten uns an alle pharmazeutischen Expert:innen wenden. Seien es Apotheker:innen, PKAs, Pharmaziestudierende oder Fachpersonal aus der Industrie: Alle sind bei uns herzlich willkommen.“
Der Verein befindet sich aktuell noch in der Startphase und plant gerade die nächsten Schritte. „Derzeit müssen wir mit unseren Ressourcen noch haushalten – im wahrsten Sinne des Wortes. Wir sind alle sehr motiviert, arbeiten aber neben unseren eigentlichen Berufen am Verein mit. Jeder soll so viel Zeit investieren, wie er oder sie zur Verfügung hat“, so Gludovatz.

Aktuell setzen die P4F auf Aufklärung über Beiträge in den sozialen Medien. „Unsere Wirkstoff-Serie wird in Kooperation mit den deutschen P4F veröffentlicht. Wir wollen Apotheker:innen sowie die breite Bevölkerung darüber informieren, welche Wirkstoffe Auswirkungen auf die Umwelt haben – und wie sich mögliche Schäden eindämmen lassen“, berichtet Gludovatz.
Der Austausch mit den Kolleg:innen aus Deutschland läuft rege, sei es schriftlich oder durch persönliche Treffen. Gludovatz betont: „Besonders wichtig ist uns dabei, dass wir niemandem seine Medikation ausreden oder Ängste schüren wollen. Wir möchten lediglich Lösungen aufzeigen, wie sich bestimmtes Verhalten umweltgerecht anpassen lässt.“
„Für Pessimismus ist es zu spät“
Die P4F lassen sich unter anderem von einer Aussage einer österreichischen Klimaforscherin inspirieren: „Für Pessimismus ist es zu spät.“ Gludovatz erklärt: „Wir wollen nicht nur auf das Negative hinweisen, sondern positiv an das Thema herangehen und anhand praktischer Beispiele zeigen, wie man Dinge besser machen kann.“
Ein Beispiel: die Anwendung von Diclofenac- oder Ibuprofen-Schmerzgelen. Diese Wirkstoffe greifen massiv ins Ökosystem ein und können, wie bekannt, weitreichende Folgen haben. „Hier spielt die Apotheke eine tragende Rolle. Wir können dieses Wissen gezielt an die Bevölkerung weitergeben und so zur Reduktion der Wasserbelastung beitragen“, erklärt sie.
„Medikationsanalyse hilft auch der Umwelt“
„Wir sehen Apotheken in einer Schlüsselrolle für den Klimaschutz. Durch fundierte Arzneimittelberatung leisten sie einen wertvollen Beitrag, der auch der Umwelt zugutekommt.“ Ein Report aus Großbritannien zeigt, dass eine Optimierung der Arzneimitteltherapie mittels Medikationsanalyse Treibhaus-gase, Wasser und Müll durch indirekte Effekte einsparen kann.
„Durch eine strukturierte Indikationsprüfung kommt es zu einer Reduktion von Emissionen und Müll – was wiederum der Umwelt hilft“, so Gludovatz. „Diese Art der Aufklärung hilft doppelt: Durch Optimierung und gegebenenfalls Reduktion unnötiger Medikation wird eine nachhaltigere Therapie ermöglicht – und Ressourcen geschont. Zusätzlich wird das Gesundheitssystem entlastet, da im besten Fall Krankenhausaufenthalte und Arztbesuche reduziert werden können.“
Auch durch gezielte Medikamenten-Schulungen lässt sich die Umwelt schützen. Ein Vorbild ist hier Deutschland: „Dort werden Inhalator-Schulungen in Apotheken von der Krankenkasse vergütet. Patient:innen werden so in der Arzneimittelanwendung unterstützt und die Adhärenz gefördert. Das kann zu einer wirksameren Therapie führen, die Zahl der Präparatewechsel verringern und somit auch die Menge an Inhalatoren, die entsorgt werden müssen“, erklärt die Apothekerin.
„Im Rahmen solcher Schulungen kann auch auf die richtige Entsorgung von Medikamenten hingewiesen werden. Vielen ist gar nicht bewusst, dass auch vermeintlich leere Inhalatoren noch Arzneimittelrückstände und Treibgase enthalten. Diese werden daher am besten über die Apotheke oder eine Abgabestelle entsorgt.“
Nachhaltigkeit hat mehrere Ebenen
Die Apothekerin weist auf die drei Bemessungsgrundlagen von Nachhaltigkeit hin: „Diese basiert auf drei Faktoren: dem sozialen – etwa Chancengleichheit –, dem ökonomischen, also einem zukunftsfähigen Wirtschaften, und dem ökologischen – dem schonenden Umgang mit unseren Ressourcen. Wenn alle drei Parameter erfüllt sind, sprechen wir von echter Nachhaltigkeit.“
Positiv wahrgenommen wird die neue Hitze-Leitlinie und die Informationskampagne der Apothekerkammer. „Nicht nur Medikamente wirken auf die Umwelt ein. Auch der Klimawandel selbst beeinflusst unsere Gesundheit und sogar die Lagerung und Wirksamkeit von Medikamenten. Jede Berufs-gruppe kann sich durch ihr Fachwissen Gedanken machen, welchen Beitrag sie zum Umwelt- und Klimaschutz in ihrem Bereich leisten kann“, so Gludovatz.
Künftig plant der Verein Informationsveranstaltungen und Events für Mitglieder, Apotheken sowie die Apothekenkundschaft. „Wir testen aktuell einige Formate. Vielleicht gibt es bald einen Newsletter. Noch sind wir Apotheker:innen mit großem Interesse an der Umwelt – keine Expert:innen. In Zukunft möchten wir durch Beiträge in den sozialen Medien der breiten Bevölkerung helfen, selbst zum Umweltschutz beizutragen. Für interessierte Apothekerinnen und Apotheker möchten wir zudem Fachartikel und Vorträge anbieten. Öffentlichkeitsarbeit und die Bereitstellung von Informationen sind dabei essenziell.“