Action statt Ausflug: Selbstschutztraining fürs Apothekenteam


Viktoria Gamsjäger

Das Team der Panther Apotheke mit Chefin Bettina Rödl (2.v.re) und Mario Fuchs (ganz re.) bei der Sicherheitsschulung.RÖDL / FUCHS

Statt des Üblichen Betriebsausflugs lud die Chefin der Panther Apotheke in Graz ihr Team zu einem Selbstschutz Workshop ein. Wer mit stillem Sitzen und trockenem Frontalvortrag über Sicherheitsfragen gerechnet hatte, wurde überrascht: Interaktiv wurden Situationen mit Eskalationspotenzial nachgestellt und konkrete Anweisungen zur Konfliktreduktion gegeben. Ein besonderes Highlight war das Training mit dem Übungspfefferspray. Das neue Wissen zeigte bald seine Wirkung: Kurz nach dem Kurs wurde eine Mitarbeiterin auf einen Rezeptfälscher aufmerksam, der daraufhin von der Polizei gestellt werden konnte.

Die Panther Apotheke liegt am Griesplatz, einem zentralen Verkehrsknotenpunkt in Graz, an dem es häufiger zu Zwischenfällen kommt. Besonders nachts sei das Sicherheitsgefühl gering, schildert die Konzessionärin der Apotheke Mag. Bettina Rödl.

Im Mai des Vorjahres erlebte Rödl ein einschneidendes Ereignis: „Mein Mann und ich waren hautnah bei einem nächtlichen Einbruch in unserer Apotheke dabei. Benachrichtigt von unserer Alarmanlage kamen wir noch vor der Polizei am Tatort an und mussten am Parkplatz vor der Apotheke miterleben, wie der Einbrecher in der Apotheke wütete. Nicht wissend, um wie viele Personen es sich handelte und in welchem Zustand sie waren, warteten wir in der Nähe des Eingangsbereiches. Als der Einbrecher durch die zerbrochene Glastüre kroch, war ich sehr verwundert, dass dieser uns nicht wahrgenommen hat und mit dem Rad einfach an uns vorbeifuhr“, berichtet Rödl. 
„Wir wussten gar nicht, wie uns geschieht und wie man sich in so einem Fall richtig verhält. Auch rechtlich ist vieles gar nicht so eindeutig“, berichtet die Apothekerin. „Ich darf den Täter zum Beispiel nicht einfach vom Fahrrad stoßen, wenn er auf der Flucht ist und mich vorher nicht bedroht hat! Das könnte dann als Körperverletzung gewertet werden. Außerdem kann man sich in eine bedrohliche Situation bringen, wenn dieser etwa mit einem Messer bewaffnet ist“, erklärt die Grazerin und warnt vor unbedachten Konsequenzen.

„Nach dieser Erfahrung habe ich mich intensiver mit dem Thema Selbstverteidigung auseinandergesetzt. Ich merke, dass die Aggressivität mancher Menschen zunimmt und es immer wieder zu angespannten Situationen in der Apotheke kommt. Ebenso sind mir die rechtlichen Aspekte wichtig.“ 

Sicherheit an der Tara

Im Zuge ihrer Recherchen stieß sie auf Mario Fuchs und seinen Kollegen Gerald Reichl. Die beiden geben im Zuge ihrer FR-Sicherheitsakademie ihre Erfahrung an jene weiter, die mehr Schutz und innere Stärke suchen. Die Apothekerin erinnert sich: „Ich wollte dieses Thema auch für meine Mitarbeiter:innen aufgreifen und uns von einem Profi coachen lassen, um eine gewisse Sicherheit zu erhalten. Deshalb beschloss ich, anstelle eines klassischen Ausflugs ein Selbstschutztraining in der Apotheke abzuhalten.“

Der ehemalige Cobra-Beamte Fuchs leitete einen Workshop zum Thema Sicherheit und Selbstverteidigung in der Apotheke. Bewusst wurde die Apotheke als Schauplatz gewählt, da hier unter realen Bedingungen Fluchtwege und Rückzugsmöglichkeiten für den Ernstfall besprochen werden konnten. Auch die Sicherheit an der Tara wurde praxisnah thematisiert.

Der Experte Fuchs rät: „Kriminelle wollen nicht gefasst werden, daher sollte man ihnen niemals den Fluchtweg versperren. Ein aktives auf den Angreifer Zugehen sollte immer nur die Ultima Ratio sein. Die eigene Flucht ist immer zu bevorzugen, da das Leben und die Gesundheit das höchste Gut sind.“ Im Falle eines Einbruchs solle man besser draußen bleiben und sich wichtige Informationen für die Polizei merken. Man solle die Fluchtrichtung beobachten und eine möglichst genaue Täterbeschreibung im Kopf behalten, führt er weiter aus.

Kommt es zu einem Raubüberfall, ist es wichtig, Ruhe zu bewahren und den Forderungen des Täters zu folgen: „Halten Sie den Täter nicht hin und geben Sie ihm, was er verlangt. Räuber wollen schnell an ihre Beute und den Tatort zügig wieder verlassen“, erklärt der Fachmann.

„Ich bin besonders dankbar, dass Mario Fuchs die Räume meiner Apotheke analysiert und Handlungsempfehlungen für verschiedene Szenarien gegeben hat. Es war sehr interessant zu erfahren, in welchen Bereichen der Apotheke Schwachstellen zu finden sind. Schon kleine Verbesserungen können das Risiko erheblich reduzieren.“ Auch der „Ernstfall“ wurde geprobt. Das Apotheken-Team war aktiv in Szenarien eingebunden: Vom verbalen Übergriff bis hin zu einem körperlichen Angriff wurde vieles durchgespielt. Das Team erhielt zudem Hinweise, wie auffälliges Verhalten erkannt und gefährliche Situationen frühzeitig eingeschätzt werden können.

Über den Nutzen solcher Übungen erläutert Fuchs: „Wird der Körper überfordert, schaltet er ab und fällt in einen sogenannten ‚Freeze-Zustand‘. Das kennt man vielleicht von Autounfällen, wo Leute regungslos verharren. Deswegen ist es wichtig, in den Kursen gezielt Stresssituationen zu erzeugen. So kann der Körper mit der Situation besser umgehen und im Ernstfall auf trainierte Handlungen zurückgreifen.“

Pfefferspray-Einsatz mit Videoanalyse

Zum Abschluss des Trainings stand eine Pfefferspray-Übung mit anschließender Videoanalyse im Hinterhof auf dem Programm. „Ein Pfefferspray sollte nur verwendet werden, wenn man sicher damit umgehen kann“, betont Rödl. Wir haben mit Übungssprays an Personen mit Schutzschild trainiert. Dabei zeigte sich, dass viele Sprays nur wenige Sekunden lang funktionieren. Wir wurden gezielt darauf trainiert, innerhalb dieser kurzen Zeitspanne treffsicher zu werden. Bei Personen unter Suchtmittel- oder Alkoholeinfluss kann die Reaktion desAbwehrsprays verzögert einsetzen. Auch das sollte man wissen, bevor man in einer Notsituation zum Pfefferspray greift“, berichtet die sicherheitsbewusste Chefin. 

Die Apothekerin beim Pfefferspray-Training in Action.RÖDL / FUCHS

„Der richtige Umgang mit dem Pfefferspray will gelernt sein“, betont der Experte Fuchs. „Der Spray darf nicht mit dem Zeigefinger ausgelöst werden, sonst hält man ihn nicht sicher genug in der Hand.“
Der ehemalige Cobra-Beamte erklärt: „Wenn die eingesprühte Person aggressiv reagiert, läuft sie auf ihr letztes Ziel zu. Daher ist ein Ausweichen nach hinten und zur Seite wichtig. Wer sich daran hält und still bleibt, erschwert dem Angreifer die Ortung. Das ist oft entscheidend.“

„Auch rechtlich wurden wir geschult. Etwa dazu, wann man überhaupt zu einem Mittel wie Pfefferspray greifen darf und dass in solchen Fällen auch eine Erste-Hilfe-Pflicht bestehen kann“, führt Rödl aus. 
Sicherheitsexperte Fuchs erklärt den rechtlichen Hintergrund dazu: „Im Strafrecht gibt es die sogenannte Garantenstellung. Wer durch sein Handeln, hier der Pfefferspray-Einsatz, eine Gefahr für jemanden schafft, muss sich vergewissern, dass dem Eingesprühten Erste-Hilfe zukommt und keine Sekundärverletzungen entstehen. Man darf den Täter nicht einfach besprühen und dann weglaufen, sondern muss sich – soweit zumutbar und sicher – vergewissern, dass er nicht etwa durch die beeinträchtigte Sicht auf die Straße läuft.“ Am sinnvollsten sei es, die Polizei oder Rettung zu verständigen und in sicherer Entfernung zu warten.

Schulung erfolgreich: Rezeptfälscher enttarnt

Dass die Schulung Wirkung zeigte, wurde schnell deutlich. „Schon wenige Wochen nach dem Kurs kam eine Kollegin mit einem Verdacht zu mir ins Büro. Ein Mann stach meiner Mitarbeiterin durch sein auffälliges Verhalten ins Auge. Während mein Team den Mann an der Tara beschäftigte, verständigte ich die Polizei. Diese konnte tatsächlich bei ihm mehrere Blanko-Rezepte sowie einen Zettel, auf dem der Mann die Paraphe des Arztes geübt hatte, sicherstellen“, erzählt Rödl.

Für die Apothekerin steht fest: Die Schulung hat ihr Personal sensibilisiert und der sichtbare Erfolg freut sie besonders. Ein solches Training lohnt sich für jeden Betrieb. „Mein Team war begeistert. Alle hatten großen Spaß und zugleich war es enorm lehrreich.“ 



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