Polidocanol ist ein echtes Chamäleon unter den Rezeptursubstanzen: Nicht nur, weil es unter zahlreichen Synonymen bekannt ist, sondern auch, weil es bei der Verarbeitung so einige Stolperfallen mit sich bringt. War eine Creme zuvor schön homogen, kann sie durch die grenzflächenaktiven Eigenschaften von Polidocanol beim Einrühren plötzlich ausflocken. Grund genug, dem wandlungsfreudigen Wirkstoff etwas genauer auf den Grund zu gehen.
Polidocanol 600 ist auch unter den Bezeichnungen Lauromacrogol 400 (geltende Bezeichnung), seinem Handelsnamen Thesit® oder Lauromacrogol-9-laurylether bekannt. Für letztere Bezeichnung ist im Arzneibuch auch eine Hilfsmittelmonographie zu finden, für die eine geringere Reinheit gilt.
Der Wirkstoff besitzt juckreizstillende, schmerzstillende und lokalanästhetische Eigenschaften. Er wird als Lokalanästhetikum in einer Konzentration von 3 bis 10 Prozent eingesetzt. Wer mit der Rezeptursubstanz arbeitet, sollte eine Schutzbrille tragen, denn Lauromacrogol 400 kann die Augen reizen! Abseits seiner Verwendung in magistralen Rezepturen wird Polidocanol auch von Ärzt:innen zur Sklerosierung von Besenreisern oder Varizen gespritzt.
Rezeptursubstanz als Wetterfrosch
Außerdem ist die Rezeptursubstanz gleichzeitig ein Emulgator aufgrund seiner Tensid-Eigenschaften. Diese leiten sich aus seiner chemischen Struktur ab. Es handelt sich um ein Gemisch aus Macrogolethern und Fettalkoholen.
In Abhängigkeit von der Raumtemperatur kann Lauromacrogol 400 als weiße, salbenartige Substanz vorliegen oder sich in eine feste und flüssige Phase trennen. Wer Polidocanol also genau beobachtet, muss nicht einmal aus dem Fenster schauen, um zu wissen, dass es wärmer wird. Denn: Steigen die Temperaturen, beginnt es zu schmelzen. Mit einem vergleichsweise niedrigen Schmelzpunkt von 24 Grad wechselt es vom wachsartigen Feststoff in eine farblose bis leicht gelbliche, viskose Flüssigkeit. In Apotheken wird dieses Phänomen gerne mit einem Augenzwinkern kommentiert: „Ach, es ist wohl wieder Sommer – das Thesit schmilzt.“
Wird die Substanz im Kühlschrank aufbewahrt, kann der Phasentrennung vorgebeugt werden. Allerdings sollte vor der Verarbeitung über dem Wasserbad (40 bis 50 Grad) eine Schmelze hergestellt werden.
Vorzugsweise in wasserfreien, hydrophoben Grundlagen
Lauromacrogol 400 ist amphiphil, löst sich also in Wasser und fetten Ölen. Die Substanz ist wie Ammoniumbituminosulfonat grenzflächenaktiv und sollte vorzugsweise in wasserfreien, hydrophoben Grundlagen verarbeitet werden. Allerdings ist Lauromacrogol 400 auch in Basiscreme DAC über einen längeren Zeitraum stabil. Werden lipophile Cremes als Grundlage verwendet, sollte der Wassergehalt gering (10 bis 20 Prozent) sein.
Wollwachsalkoholsalbe ist als Grundlage geeignet. Wird jedoch wasserhaltige Wollwachsalkoholsalbe mit einem Wassergehalt von 50 Prozent rezeptiert, droht die Rezeptur zu brechen. Die Wollwachsalkohole im Basunguent® vertragen sich ebenfalls nicht ideal mit Polidocanol.
Kombiniert mit Ultrasicc® kommt es zu einer Phasentrennung. Alternativ sollte daher für eine magistrale Rezeptur Ultraphil® eingesetzt werden.
Bei Ultrabas®-Mischungen mit Polidocanol kommt es nach etwa drei Wochen zu einer Ausfällung. Bei Ultralip® zu einer Abscheidung von Flüssigkeit ungefähr fünf Wochen nach der Mischung.
Merkhilfe: Polidocanol verträgt sich mit Ultraphil oder Unguentum Cordes!
Unguentum Cordes® ist als amphiphile Grundlage bis 10 Prozent mit dem Wirkstoff kompatibel. Wird allerdings Wasser hinzugemischt, kann eine lavierte (versteckte) Inkompatibiltät in Abhängigkeit vom zugefügten Wassergehalt nach einiger Zeit zum Brechen der Rezeptur führen.
Polidocanol ist ein nicht-ionisches Tensid. Es sollte als grenzflächenaktive Substanz nicht mit nicht-ionischen Verdickungsmitteln wie die Methylcellulose verwendet werden.
Der pH-Wert muss nicht beachtet werden, denn es handelt sich um eine pH-unabhängige Rezeptursubstanz.
Ausnahme von der Rezeptpflicht
Laut Anhang I der Rezeptpflichtverordnung ist Polidocanol in der Österreichischen Arzneitaxe (ÖAT) mit dem Zusatz R14 geführt und damit von der Rezeptpflicht ausgenommen, sofern es innerlich in einer Dosierung von höchstens 0,02 Gramm pro Dosis und 0,1 Gramm pro Tag oder äußerlich in einer Konzentration von bis zu 10 Prozent angewendet wird.
R14: Kunden benötigen für Salben und Cremes mit bis zu 10 Prozent Polidocanol kein Rezept.
