Retinoid mit Verantwortung: Was bei der Abgabe von Isotretinoin zu beachten ist


Viktoria Gamsjäger

Symbolbild: Ein Mann im weißen Mantel und Stethoskop hält ein Kärtchen mit der Aufschrift "Isotretinoin".
Isotretinoin ist nach Thalidomid das am stärksten teratogen wirkende Medikament.MQ-Illustrations/AdobeStock_354194240

Isotretinoin ist ein Retinoid, welches zur Behandlung schwerer Akneformen eingesetzt wird. Es gilt als Mittel der zweiten Wahl bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren, die auf andere Therapien nicht ansprechen. Aufgrund der hohen Teratogenität ist im Kundengespräch bei der Abgabe des Arzneimittels einiges zu beachten.

Isotretinoin (Ciscutan) ist ein Retinoid und strukturell mit der all-trans-Retinolsäure verwandt. Es wird als Mittel der zweiten Wahl bei der Behandlung von schweren Akneformen wie der nodulären Akne, Acne conglobata und Akne mit Risiko für dauerhafte Narbenbildung eingesetzt. Begonnen wird bei Jugendlichen ab 12 Jahren und Erwachsenen mit einer täglichen Dosierung von 0,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Die tägliche Dosierung beträgt meistens bis zu 1,0 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Die Behandlungsdauer liegt normalerweise bei drei bis fünf Monaten.

Verbessertes Hautbild

Der Wirkmechanismus von Isotretinoin ist komplex und noch nicht vollständig geklärt. Es wirkt über mehrere Angriffspunkte: Es aktiviert nukleäre Retinoidrezeptoren und reguliert dadurch die Transkription bestimmter Gene, was zu einer verminderten Proliferation, Differenzierung und Aktivität der basalen Sebozyten (Zellen der Talgdrüsen) führt. Dies resultiert in einem Zellzyklusarrest und einer Induktion von Apoptose der Talgdrüsenzellen.
Isotretinoin normalisiert die follikuläre Keratinisierung und hemmt die Komedogenese, wodurch die Verstopfung der Hautporen verhindert wird.

Die Talgproduktion wird deutlich reduziert – das bekämpft einen der Hauptauslöser der Akne. Zusätzlich verändert Isotretinoin die Mikroumgebung im Haarfollikel, was zu einer Verringerung der Anzahl von Propionibacterium acnes, einer Bakterienart, die Akne begünstigt, führt. Es besitzt zudem entzündungshemmende Eigenschaften.

Fehlbildungsrisiko bis zu 25 Prozent

Laut Embryotox ist Isotretinoin nach Thalidomid das am stärksten teratogen wirkende Medikament. Es verursacht bei oraler Einnahme im ersten Trimenon ein Fehlbildungsrisiko von bis zu 25 Prozent. Typische Schäden umfassen Fehlbildungen der Ohren, des Gesichts, Herzfehler und neurologische Störungen. Thalidomid (Contergan) hingegen verursacht bei Einnahme in der kritischen Embryonalphase nahezu 100 Prozent schwere Missbildungen, vor allem der Gliedmaßen.
Obwohl bei lokaler Anwendung von Isotretinoin bisher keine signifikante Risikozunahme für Fehlbildungen nachgewiesen wurde, ist auch diese in der Schwangerschaft kontraindiziert. Aufgrund des hohen teratogenen Risikos ist bei Isotretinoin ein strenges Schwangerschaftsverhütungsprogramm verpflichtend.
Frauen im gebärfähigen Alter dürfen Ciscutan nur einnehmen, wenn sie alle Bedingungen eines strengen Programms erfüllen.

Vorgaben an den Verschreibenden

Aufgrund der hohen Teratogenität hat das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) Empfehlungen zum Umgang mit Isotretinoin an die verschreibenden Ärzte herausgegeben:

  • Isotretinoin-haltige Präparate dürfen nur durch Ärzt:innen verschrieben werden, die mit der Anwendung systemischer Retinoide vertraut sind und deren Risiken kennen – vorzugsweise durch Dermatolog:innen.
  • Der Behandlungszeitraum sollte möglichst kurz gehalten und die Dosis individuell angepasst werden.
  • Die Patientin muss über das teratogene Risiko mündlich und schriftlich informiert werden und ihr Verständnis schriftlich bestätigen.
  • Die Patientin muss umfassend über Empfängnisverhütungsmethoden und deren mögliches Versagen (z. B. bei Einnahme von Johanniskrautpräparaten, Antibiotika oder bei Auftreten von Diarrhö und Erbrechen) aufgeklärt werden.
  • Zum Ausschluss einer Schwangerschaft zu Therapiebeginn sind zwei ärztlich überwachte Schwangerschaftstests im Abstand von vier Wochen durchzuführen und zu dokumentieren.
  • Während der gesamten Dauer der Therapie mit Isotretinoin muss die Patientin konsequent mindestens eine, vorzugsweise zwei zuverlässige Methoden der Empfängnisverhütung (hormonell und Barriere) anwenden.
  • Eine Fortsetzung der Behandlung über 30 Tage hinaus erfordert eine erneute Verschreibung, der stets ein ärztlich überwachter und dokumentierter Schwangerschaftstest vorausgehen muss.
  • Nach Behandlungsende muss die Empfängnisverhütung noch mindestens einen Monat fortgesetzt werden, um sicherzustellen, dass Isotretinoin vollständig ausgeschieden ist.

In der Apotheke zu beachten

Bei der Abgabe von Isotretinoin in der Apotheke ist im Beratungsgespräch einiges zu beachten:

  • Kund:innen müssen daran erinnert werden, das Arzneimittel nicht an andere weiterzugeben, aufgrund des hohen Risikos schwerer Nebenwirkungen.
  • Nicht benötigte Tabletten oder Kapseln sollen zur Entsorgung in die Apotheke gebracht werden.
  • Regelmäßige Blutuntersuchungen (Leberwerte, Blutfettwerte) vor und während der Therapie sind wichtig, da Isotretinoin Leber und Lipidstoffwechsel beeinflusst.
  • Ein gleichzeitiger Einsatz von Vitamin-A-Präparaten oder Tetrazyklinen ist aufgrund des Nebenwirkungsrisikos kontraindiziert (Gefahr eines Pseudotumor cerebri).
  • Aufgrund der austrocknenden Wirkung können eine Lippenpflege, Augentropfen und Nasensalbe notwendig sein. Sie sollten immer angeboten werden.
  • Während der Therapie und bis mindestens vier Wochen nach Beendigung darf keine Blutspende erfolgen, da das Medikament sonst an Frauen im gebärfähigen Alter übertragen werden könnte.
  • Isotretinoin tritt mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Muttermilch über und darf daher auch bei Stillenden nicht angewendet werden.

Blick aufs Rezept

Prinzipiell sollte das Rezept so bald wie möglich nach Ausstellung eingelöst werden, um sicherzustellen, dass weiterhin keine Schwangerschaft vorliegt. Bei der Abgabe sollte immer auf das Ausstellungsdatum geachtet werden. Idealerweise erfolgt die Einlösung innerhalb der ersten sieben Tage ab Verordnung.

Die Verschreibung von zwei Packungen Ciscutan auf einem Rezept sollten bei Frauen nicht vorkommen, da die Abgabe auf einen Monat zu begrenzen ist (Annahme: eine Packung entspricht einer Monatsdosis). Bei Männern gibt es keine Begrenzungsempfehlungen.



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