Die Kombination aus Vitamin K und Vitamin D ist häufig in Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) anzutreffen. Dementsprechend steigt auch der Beratungsbedarf zu Vitamin K in der Apotheke. Dass das fettlösliche Vitamin mit Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon interagiert, ist bekannt, doch wie sieht es bei anderen Antikoagulantien aus? Oftmals wird Vitamin K auch ohne nachgewiesenen oder bestehenden Mangel eingenommen. Was sagt die Wissenschaft dazu?
Vitamin K ist keine einzelne Substanz, sondern eine Familie von fettlöslichen Verbindungen auf Basis des 2‑Methyl‑1,4‑Naphthochinons. Zu den wichtigsten natürlichen Formen zählen:
Vitamin K1 (Phyllochinon)
Phyllochinon kommt vor allem in grünem Blattgemüse (Spinat, Grünkohl, Rosenkohl) und pflanzlichen Ölen vor. Es liefert 75 bis 90 Prozent der täglichen Vitamin‑K‑Zufuhr.
In der Leber dient Vitamin K1 als Cofaktor für die γ‑Carboxylierung der gerinnungsaktiven Faktoren II, VII, IX und X. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt nur ein bis zwei Stunden. Daher sind relativ konstante Tageszufuhren erforderlich.
Vitamin K2 (Menachinon)
Vitamin K2 bezeichnet eine Gruppe von Menachinonen (MK‑4, MK‑7, MK‑9 etc.) mit unterschiedlich langen Isopren‑Seitenketten. MK‑4 kann in tierischen Geweben aus K1 gebildet werden, während MK‑7 bis MK‑13 von Bakterien in fermentierten Lebensmitteln (z. B. fermentierte Käse) produziert werden.
Langkettige Menachinone wie MK‑7 haben eine lange Eliminationshalbwertszeit (etwa 72 h) und verbleiben dadurch länger im Blut als MK‑4 (ca. 1 Stunde) oder K1. Aufgrund des Transports über VLDL/LDL erreichen sie auch extrahepatische Gewebe, was eine stärkere Wirkung auf Knochen‑ und Gefäßproteine erklärt.
Zusätzlich zu der Rolle in der Leber fördert K2 die Carboxylierung des Osteocalcins im Knochen und des Matrix‑Gla‑Proteins (MGP) in den Gefäßwänden. Damit trägt es zur normalen Knochengesundheit und zur Hemmung von Gefäßverkalkungen bei.
Vitamin K3 (Menadion)
Vitamin K3 (Menadion) ist für Menschen toxisch und ist deshalb nicht mehr für den humanen Gebrauch zugelassen. Es kann unter anderem oxidative Schäden an Zellmembranen verursachen und hat bei Säuglingen zu einer Lebertoxizität, Gelbsucht und hämolytische Anämie geführt. Menadion wird daher ausschließlich in der Veterinärmedizin bei Hypovitaminosen verwendet.
NEM vs. Arzneimittel
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schlägt für Nahrungsergänzungsmittel (NEM) maximal 80 Mikrogramm Vitamin K1 oder 25 Mikrogramm Vitamin K2 (MK‑7) pro Tagesdosis vor. Diese Begrenzung beruht darauf, dass höhere K2‑Dosen die Wirkung von Vitamin‑K‑Antagonisten abschwächen können.
Bei fettlöslichen Vitaminen gilt zu bedenken, dass diese im Körper gespeichert und daher auch überdosiert werden können. Da Belege für eine gesundheitsschädliche Wirkung fehlen, wurde von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kein oberer Grenzwert für die Vitamin K-Zufuhr festgelegt. Eine Empfehlung für die adäquate Zufuhr von 20 Mikrogramm für Kinder und bis zu 80 Mikrogramm für Ältere und Schwangere gibt es jedoch.
In der Praxis überschreiten manche Produkte diese Empfehlungen: So beinhalten manche Kombinationsprodukte von Vitamin K und D pro Kapsel beispielsweise bis zu 500 Mikrogramm K1 und 1 045 Mikrogramm K2. Solche Tagesdosen liegen deutlich über dem BfR‑Richtwert für K2.
Vitamin K Mangel selten
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) schätzt den Tagesbedarf an Vitamin K auf 60 bis 70 Mikrogramm bei Erwachsenen; für Menschen über 50 Jahre 65 bis 80 Mikrogramm. Bei ausgewogener Ernährung ist ein Mangel selten.
Risikogruppen für eine Unterversorgung mit Vitamin K sind bekanntermaßen Neugeborene und Säuglinge, aber auch Menschen mit Erkrankungen, die zu einer schlechten Vitamin-K-Aufnahme führen. Hier sind Menschen mit Kurzdarmsyndrom, Zöliakie, Pankreasinsuffizienz oder zystische Fibrose zu nennen. Auch die dauerhafte Einnahme bestimmter Medikamente wie Cholestyramin, Orlistat und Salicylate wie ASS kann zu einer Unterversorgung führen.
Milligramm oder Mikrogramm?
Arzneimittel mit hochdosiertem Vitamin K1 (z. B. Konakion) dienen der Behandlung oder Prophylaxe von Vitamin‑K‑Mangelblutungen, der Aufhebung einer Überdosierung von Vitamin‑K‑Antagonisten oder der prophylaktischen Gabe bei Neugeborenen.
Eine Ampulle Konakion enthält 10 Milligramm Vitamin K1. Bei schwerer Blutung unter Cumarintherapie werden 5 bis 10 Milligramm K1 intravenös verabreicht. Zur Korrektur erhöhter INR‑Werte bei Phenprocoumon‑Therapie werden 2–5 Milligramm K1 oral oder i.v. empfohlen. Für Schwangere unter enzyminduzierenden Arzneimitteln wird eine Prophylaxe mit 10–20 Milligramm K1 wenige Stunden vor der Entbindung angegeben.
Therapeutische Vitamin‑K‑Dosen liegen im Milligramm‑Bereich (5–20 Milligramm), also über hundertfach höher als die Mikrogramm‑Dosen in Nahrungsergänzungsmitteln. Daraus wird ersichtlich, wie stark die Dosierung die Gerinnung beeinflussen kann.
Wechselwirkungen mit Antikoagulantien
Vitamin‑K‑Antagonisten:
Die Cumarin‑Derivate hemmen die Vitamin‑K‑Epoxid‑Reduktase, sodass die Regeneration von K1/K2 aus dem oxidierten Epoxid blockiert wird. Dadurch werden die Vitamin‑K‑abhängigen Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X unzureichend carboxyliert und bleiben inaktiv.
Klinische Studien zeigen, dass selbst kleine Mengen MK‑7 (10–20 Mikrogramm /Tag) die INR (international Normalised Ratio) bei mit Cumarinen behandelten Personen senken können. Eine Dosis von 45 Mikrogramm MK‑7 pro Tag verringerte die INR um 28 bis 40 Prozent. In einer systematischen Übersichtsarbeit wurde berichtet, dass hohe Vitamin‑K‑1‑Aufnahmen (> 150 Mikrogramm /Tag) die antikoagulative Wirkung verringern können, während eine konstante Zufuhr die INR stabilisiert. Da MK‑7 eine lange Halbwertszeit besitzt, beeinflusst es die Gerinnung stärker als K1. Mengen ab 50 Mikrogramm pro Tag sollten bei VKA‑Therapie vermieden werden.
Patientinnen und Patienten unter Warfarin/Phenprocoumon sollten keine hochdosierten Vitamin‑K‑Supplemente einnehmen. Wichtig ist eine konstante Vitamin‑K‑Zufuhr über die Nahrung (z. B. täglich ähnliche Mengen grünes Gemüse).
Thrombozytenaggregationshemmer
Acetylsalicylsäure hemmt irreversibel die Cyclooxygenase‑1 der Thrombozyten, Clopidogrel blockiert den P2Y₁₂‑Rezeptor. Beide Substanzen beeinflussen die Thrombozytenaggregation, nicht aber die Synthese der Vitamin‑K‑abhängigen Gerinnungsfaktoren.
In Arzneimitteldatenbanken sind keine Interaktionen zwischen Vitamin K und ASS oder Clopidogrel beschrieben. Eine Verbraucherinformation weist darauf hin, dass bisher keine wissenschaftlichen Belege für eine Beeinflussung von Thrombozytenaggregationshemmern durch Vitamin‑K‑Supplemente vorliegen. Somit gelten moderate Vitamin‑K‑Dosen in diesem Kontext als sicher.
Direkte orale Antikoagulantien (DOAKs)
DOAKs wie Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban blockieren direkt Faktor Xa, Dabigatran hemmt Thrombin (Faktor IIa). Sie wirken daher unabhängig vom Vitamin‑K‑Kreislauf.
Eine systematische Übersichtsarbeit über Nahrungsmittelinteraktionen bestätigte, dass DOAKs keine klinisch relevanten Wechselwirkungen mit Vitamin K oder Vitamin‑K‑reichen Lebensmitteln haben. In der Valkyrie‑Studie erhielten Dialysepatienten mit Vorhofflimmern Rivaroxaban kombiniert mit hochdosiertem MK‑7; diese Kombination verbesserte die Vitamin‑K‑Statusmarker, ohne den Gerinnungsschutz zu vermindern und ohne die Gefäßverkalkung zu beschleunigen.
Für DOAK‑Patient:innen bestehen keine Einschränkungen hinsichtlich normaler Vitamin‑K‑Aufnahme. Allerdings sollten auch hier extreme Vitamin‑K‑Dosen ohne ärztliche Rücksprache vermieden werden.
Heparine
In der wissenschaftlichen Literatur gibt es keine Hinweise auf eine direkte pharmakologische Wechselwirkung zwischen Heparin und Vitamin K. Die Wirkmechanismen beider Substanzen sind unterschiedlich: Heparin wirkt als Antikoagulans, indem es die Aktivität von Antithrombin III verstärkt und so die Gerinnung hemmt.
Ein Einfluss auf den Knochenstoffwechsel ist bei längerer Heparintherapie möglich: Insbesondere bei hohen Dosierungen wurde eine Beeinträchtigung der Knochendichte berichtet, die Einnahme von Vitamin D und K2 kann daher nach Rücksprache mit dem Arzt sinnvoll sein.
Vitamin‑K‑Einnahme ohne Mangel
Eine offene Studie mit 40 gesunden Teilnehmern zeigte, dass die tägliche Einnahme von 90 Mikrogramm MK‑7 über 30 Tage weder die Prothrombinzeit noch die Aktivitäten der Faktoren II, VII, IX und X veränderte. In einer weiteren Studie verbesserte eine Supplementierung mit 180 Mikrogramm MK‑7 die Carboxylierung von Osteocalcin und MGP, ohne die Thrombin‑Bildung zu erhöhen.
Unklarer Nutzen bei Knochen und Herz
Epidemiologische Daten deuten auf eine mögliche Schutzwirkung von Vitamin K2 vor Osteoporose oder Gefäßverkalkung hin, doch randomisierte Studien liefern widersprüchliche Ergebnisse. Die Verbraucherzentrale betont, dass die Behauptung, Vitamin K2 könne Gefäßerkrankungen durch hohe Dosen verhindern, bisher wissenschaftlich nicht belegt ist. Weiters soll laut den Experten „für eine ausreichende Versorgung von Vitamin K2 gesorgt werden, aber keine spezifische Therapie der Osteoporose“ erfolgen.
Wer keine Arzneitherapie mit Vitamin‑K‑Antagonisten erhält und sich ausgewogen ernährt, benötigt in der Regel kein Vitamin‑K‑Supplement. Es gibt keinen Beleg, dass eine höhere als die empfohlene Zufuhr gesundheitliche Vorteile bringt. Bei übermäßig hohen Dosen werden lediglich Serumspiegel erhöht, ohne dass sich klinisch relevante Effekte zeigen. Patient:innen mit gerinnungshemmenden Arzneimitteln sollten vor Einnahme eines Vitamin‑K‑Präparats unbedingt ärztlichen Rat einholen.