Frühzeitige Pubertät durch Süßstoffe?


Viktoria Gamsjäger

Zwei Kinder halten ihre Hände in die Kamera. Diese sind vollgefüllt mit verschiedenen bunten Zuckerln.
Süßstoffe können Einfluss auf die körperliche Entwicklung von Kindern nehmen.AdobeStock_222398705/pingpao

Der Konsum künstlicher und natürlicher Süßstoffe, wie sie in zahlreichen Lebensmitteln und Getränken enthalten sind, könnte das Risiko für eine früh einsetzende Pubertät bei Kindern erhöhen – vor allem bei jenen, die dafür genetisch anfällig sind. Auch geschlechterspezifische Unterschiede wurden dabei festgestellt. Eine taiwanesische Studie zeigt einen Zusammenhang zwischen dem Süßstoffkonsum und einer gestörten hormonellen Regulation.

In der kürzlich veröffentlichten Untersuchung fanden Forschende Hinweise darauf, dass der Konsum von Aspartam, Sucralose und Glycyrrhizin – der natürliche Süßstoff der Lakritze – signifikant mit einem erhöhten Risiko für eine zentrale pubertas praecox (eine Form der vorzeitigen Pubertät) assoziiert ist. Besonders deutlich zeigte sich dieser Effekt bei Jugendlichen mit genetischer Veranlagung: Je höher der Konsum, desto größer das Risiko.

Frühzeitige Pubertät immer häufiger

Diese Form frühzeitiger Pubertät tritt weltweit immer häufiger auf und kann langfristige gesundheitliche Folgen mit sich bringen. Dazu zählen emotionaler Stress, eine eine geringere Körpergröße im Erwachsenenalter sowie ein erhöhtes Risiko für spätere Stoffwechsel- und Fortpflanzungsstörungen.

Die Daten stammen aus der 2018 gestarteten Taiwan Pubertal Longitudinal Study (TPLS), in deren Rahmen 1.407 Jugendliche untersucht wurden. Bei 481 Teilnehmenden wurde eine zentrale vorzeitige Pubertät medizinisch diagnostiziert.
Der Süßstoffkonsum wurde durch validierte Ernährungsfragebögen sowie durch Messungen in Urinproben bestimmt. Die genetische Veranlagung wurde über sogenannte polygenetische Risikowerte erfasst, die auf 19 Gene zurückgehen, welche mit früher Pubertät in Verbindung stehen. Die Diagnose erfolgte mittels ärztlicher Untersuchungen, Hormonanalysen und bildgebender Verfahren.

Geschlechterspezifische Unterschiede

Die Auswertung zeigte klare geschlechterspezifische Unterschiede: Bei Jungen war Sucralose besonders stark mit einem erhöhten Risiko assoziiert. Bei Mädchen hingegen galten Glycyrrhizin, Sucralose und auch Zuckersirup als relevante Risikofaktoren.

In früheren Untersuchungen desselben Forschungsteams hatte Glycyrrhizin bereits Aufmerksamkeit erregt: Der Lakritzbestandteil kann das Gleichgewicht der Darmflora verändern und die Aktivität pubertätsauslösender Gene unterdrücken. Bei genetisch anfälligen Mädchen zeigte sich dieser Effekt in der aktuellen Studie jedoch nicht.

Acesulfam-K aktiviert Pubertätssignal

Auch der künstliche Süßstoff Acesulfam-Kalium wurde in der Studie thematisiert. Er kann laut den Forschenden Signalwege im Gehirn aktivieren und dabei sowohl die Ausschüttung pubertätsrelevanter Hormone als auch von Stressmolekülen fördern. Konkret wurde über eine Aktivierung der Proteinkinase A und eine gesteigerte Expression des Gonadotropin-Releasing-Hormons (GnRH) berichtet. Es handelt sich hierbei um ein im Hypothalamus gebildetes Hormon, das die Produktion der Geschlechtshormone in Gang setzt.

Die Studie liefert neue Hinweise darauf, dass bestimmte Süßstoffe und Zuckerersatzstoffe – in Kombination mit genetischen Risikofaktoren – Einfluss auf die sexuelle Entwicklung von Kindern nehmen können. Angesichts potenziell langfristiger gesundheitlicher Folgen sei laut den Autor:innen ein bewusster Umgang mit diesen Stoffen besonders im Kindesalter dringend zu empfehlen.



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