Grippeimpfung per Zahnseide?


Redaktion

Frau verwendet Zahnseide-Stäbchen.
Impfen mittels Zahnseide sei gleich wirksam wie durch Nasenspray, habe aber weniger Risiken.Михаил Решетников/AdobeStock_459244818

Nach Impfpflaster und Nasenspray kommt nun eine neue Idee, den von vielen gefürchteten Nadelstich beim Impfen zu vermeiden: Die Aufnahme über das Zahnepithel mittel Zahnseide. Diese Methode biete viele Vorteile gegenüber Impf-Nasensprays sagen Expert:innen.

„Schleimhautoberflächen sind entscheidend, weil sie Eintrittsstellen für Krankheitserreger wie Influenza oder Covid sind“, erklärt Harvinder Singh Gill, Professor für Nanomedizin an der North Carolina State University. Wird ein Impfstoff gespritzt, entstehen zwar Antikörper im Blut, jedoch kaum dort, wo viele Erreger überhaupt erst in den Körper gelangen – auf den Schleimhäuten.

„Wenn ein Impfstoff direkt über eine Schleimhaut verabreicht wird, bildet der Körper Antikörper sowohl im Blut als auch an den Schleimhäuten“, betont Gill. „Das verbessert den Schutz, weil der Erreger bereits an der Eintrittsstelle gestoppt werden kann.“

Keine dichte Barriere im Epithel

Ziel der Studie war es, das Saumepithel – eine durchlässige Schleimhaut am Boden der Zahnfleischtasche – als neue Impfstelle zu nutzen. Dieses Gewebe unterscheidet sich von anderen Epithelien, da es keine dichten Barrieren aufweist. „Das eröffnet eine einzigartige Möglichkeit, Impfstoffe so zu verabreichen, dass eine verstärkte Antikörperproduktion an allen Schleimhautbarrieren ausgelöst wird.“

Für die Studie brachten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaflter Impfstoffe mithilfe ungewachster Zahnseide in die Zahnzwischenräume von Mäusen ein. Es kamen verschiedene Impfstoffklassen zum Einsatz – darunter Proteine, inaktivierte Viren und mRNA. Verglichen wurden die Immunreaktionen nach Applikation über das Saumepithel, über die Nasenschleimhaut und unter der Zunge.

Stärkere Antikörperreaktion

„Wir haben festgestellt, dass die Impfung über das Saumepithel eine deutlich stärkere Antikörperreaktion an Schleimhäuten hervorruft als die bisherige Standardmethode im Mundraum“, erklärt Erstautor Rohan Ingrole. Gleichzeitig war der Schutz gegen Grippeviren vergleichbar mit der nasalen Verabreichung.

Auch in puncto Sicherheit könnte die neue Methode Vorteile haben. „Viele Impfstoffe lassen sich nicht wirksam über die Nasenschleimhaut verabreichen, weil deren Barriereeigenschaften die Aufnahme verhindern“, erläutert Gill. „Außerdem besteht bei der nasalen Anwendung das Risiko, dass der Impfstoff ins Gehirn gelangt – das ist ein Sicherheitsproblem. Die Verabreichung über das Saumepithel birgt dieses Risiko nicht.“

Noch einiges abzuklären

Auch am Menschen wurde die Methode getestet: 27 Freiwillige nutzten Zahnseidestäbchen mit Lebensmittelfarbe, um den Farbstoff gezielt in die Zahnfleischtasche zu bringen. „Etwa 60 Prozent des Farbstoffs gelangten bei unserem Test mit Floss Picks in die Zahnfleischtasche“, berichtet Ingrole. „Das deutet darauf hin, dass diese Methode auch praktisch umsetzbar sein könnte.“ Die Forschenden zeigen sich optimistisch: „Wenn sich unsere weiteren Ergebnisse bestätigen, könnten klinische Studien der nächste Schritt sein“, hofft Gill.

Neben dem immunologischen Nutzen gebe es auch einen praktischen Vorteil: „Die Technik wäre einfach in der Anwendung und könnte für Menschen attraktiv sein, die Angst vor Spritzen haben.“ Zudem geht Gill davon aus, dass die Methode preislich mit bestehenden Impfverfahren vergleichbar sein wird. Einschränkungen gebe es dennoch: Für zahnlose Kleinkinder ist die Impfung nicht geeignet. „Außerdem müssen wir noch klären, ob und wie gut diese Methode bei Menschen mit Parodontalerkrankungen oder anderen oralen Infektionen funktioniert.“

Die Studie mit dem Titel „Floss-based vaccination targets the gingival sulcus for mucosal and systemic immunization“ wurde an der North Carolina State University durchgeführt und kürzlich in Nature Biomedical Engineering veröffentlicht.

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