Das tägliche Riechen von ätherischem Rosenöl kann messbare Veränderungen im Gehirn bewirken. In einer Studie stieg nach einem Monat regelmäßiger Anwendung das Volumen der grauen Substanz, besonders in einem Areal, das mit Erinnerung und emotionaler Verarbeitung verbunden ist. Diese Region schrumpft häufig bei Alzheimer-Patient:innen. Die Forschenden vermuten, dass die Wirkung über das reine Riechen hinausgeht und kognitive Prozesse stärkt.
In der Aromatherapie werden ätherische Öle verwendet, um durch das Einatmen oder Aufnehmen Veränderungen im limbischen System zu bewirken. In diesem Teil des Gehirns werden Erinnerungen und Emotionen verarbeitet. Studien zeigen, dass Aromatherapie physiologische Reaktionen im Nerven-, endokrinen oder Immunsystem stimulieren kann. Sie beeinflusst Herzfrequenz, Blutdruck, Atmung, Gehirnwellenaktivität und die Ausschüttung verschiedener Hormone im Körper, berichten die Wissenschaftlerinnen.
Zahlreiche Studien mit funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT), die an gesunden Menschen durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass olfaktorische Reize primäre und sekundäre olfaktorische kortikale Areale aktivieren. Das Aktivierungsmuster ist jedoch uneinheitlich, da es von verschiedenen experimentellen Faktoren wie Aufgabenanweisungen und Reizqualität beeinflusst wird, heißt es weiter.
Riechen: Ein komplexer Vorgang
Ein Geruch lässt sich grob in zwei Aspekte unterteilen: Intensität und Angenehmheit. Die Intensität wurde mit der Aktivität im primären olfaktorischen Kortex, einschließlich der Amygdala, in Verbindung gebracht. Das Vergnügen oder Gefallen hingegen ist in die Geruchserkennung und das olfaktorische Gedächtnis eingebunden. Der posteriore cinguläre Kortex (PCC) ist beteiligt an der Verknüpfung von Gerüchen mit Erinnerungen, am Abrufen von Geruchserinnerungen und an semantischen Gedächtnisprozessen. Die Amygdala, das „Alarmzentrum“ des Menschen, zeigt eine Aktivierung, wenn starke oder unbekannte Gerüche wahrgenommen werden. Olfaktorische Reize lösen also eine komplexe, neuronale Verarbeitung von Geruch, Emotion und Gedächtnis aus.
Studienaufbau
Für die Studie wurden 51 gesunde Frauen aus Tokio rekrutiert. 29 von ihnen wurden zufällig der Interventionsgruppe und 22 der Kontrollgruppe zugeteilt.
Zu den Ausschlusskriterien zählten unter anderem: der Besuch einer Klinik für psychosomatische Medizin, Psychiatrie, Gynäkologie oder Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde; das Vorliegen einer Erkrankung des Nervensystems oder der Psyche, einer gynäkologischen oder HNO-Erkrankung oder einer schweren körperlichen Krankheit; die Einnahme zentralnervöser Medikamente oder Hormone sowie eine Abneigung gegen den Geruch des Rosenöls.
Rosenöl, einen Monat lang
Die Teilnehmerinnen wurden gebeten, täglich eine bestimmte Duftmenge einen Monat lang auf ihre Kleidung aufzutragen. Die Interventionsgruppe erhielt ein bis drei Tropfen ätherisches Rosenöl (0,5 Prozent). Die Kontrollgruppe bekam ein bis drei Tropfen geruchloses Wasser, das zweimal täglich auf ein Aroma-Siegel getropft und an der Kleidung getragen wurde. Das ätherische Öl wurde mit Dipropylenglykol (DPG) verdünnt, um die Haltbarkeit zu verbessern. Die Teilnehmerinnen sollten während des Experiments ihren Lebensstil nicht wesentlich verändern. Zu Beginn und am Ende des einmonatigen Versuchs trafen sich die Probandinnen an der Kyoto-Universität, wo mithilfe eines MRT-Geräts Gehirnbilder aufgenommen wurden.
Effekt in Arealen der Erinnerung und Emotion
Die Ausgangswerte der beiden Gruppen wurden vor Beginn der Intervention verglichen. Dabei zeigte sich kein signifikanter Unterschied bezüglich Alter, Body-Mass-Index (BMI) sowie des Indexes der grauen Hirnsubstanz (GM-BHQ) im gesamten Gehirn und in den untersuchten Regionen Amygdala, orbitofrontaler Kortex (OFC) und posteriorer cingulärer Kortex (PCC). Das bedeutet, dass die beiden Gruppen zu Beginn der Studie hinsichtlich dieser Merkmale vergleichbar und homogen waren.
Anschließend wurden die Veränderungen nach einem Monat täglicher Anwendung des Rosenöls (Interventionsgruppe) im Vergleich zur Kontrollgruppe mit Wasser untersucht. Die Analyse ergab signifikante Zunahmen im GM-BHQ sowohl im gesamten Gehirn (p = 0,023) als auch im PCC (p = 0,012) der Duftgruppe. Das Volumen der grauen Hirnsubstanz stieg also insbesondere in einem Hirnareal, das mit Erinnerung und emotionaler Verarbeitung verbunden ist, signifikant an.
Kaum verändert: Amygdala und OFC
Im Gegensatz dazu zeigten Amygdala und OFC keine signifikanten Veränderungen in den nach Kontrollmethoden analysierten Daten (Amygdala p = 0,811; OFC p = 0,086).
Die Ergebnisse legen nahe, dass der tägliche Kontakt mit dem Rosenduft speziell die graue Substanz in Hirnregionen fördert, die mit Erinnerung und emotionaler Verarbeitung in Verbindung stehen – insbesondere im PCC. Diese Region ist bekannt für ihre Rolle bei Gedächtnisprozessen und könnte durch den Duft stimuliert verstärkt werden.
Insgesamt weist die Studie darauf hin, dass regelmäßige Aromatherapie das Gehirn strukturell positiv verändern kann, was potenziell kognitive Funktionen unterstützt und neue Ansätze zur Förderung der Gehirngesundheit eröffnet. Die fehlende signifikante Wirkung in Amygdala und OFC deutet darauf hin, dass die Wirkung eher tiefere kognitive Bereiche als primäre Geruchszentren betrifft.
Limitationen
Die Studie weist laut den Autoren drei wesentliche Einschränkungen auf:
Erstens wurden nur Frauen untersucht, ohne Berücksichtigung von Lebensstilfaktoren wie Bewegung, Ernährung oder Bildung, die Gehirn und -volumen beeinflussen könnten.
Zweitens war die Doppelblindmethode eingeschränkt, da die Teilnehmerinnen den Unterschied zwischen Rosenöl und Wasser vermutlich erkannten, was die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse beeinträchtigen kann. Sie erwähnen außerdem, dass nur nur der Rosenduft getestet wurde und keine anderen Düfte.
Drittens wurde die Einhaltung der Duftanwendung nicht überwacht, sodass Variationen in der Compliance die Ergebnisse beeinflusst haben könnten. Für zukünftige Studien empfehlen die Autoren daher eine bessere Kontrolle und Dokumentation der Anwendung.
Einsatz bei Alzheimer denkbar
Die Studienergebnisse legen nahe, dass die kontinuierliche Inhalation von rosenduftendem ätherischem Öl das Volumen der grauen Substanz im posterioren cingulären Kortex (PCC) erhöht – einer Region, die bei Alzheimer-Patienten oft schrumpft. Da frühere Untersuchungen zeigen, dass ein Verlust der grauen Substanz im PCC ein verlässlicher Biomarker für den Fortschritt von Alzheimer ist, könnte laut den Studienautoren die regelmäßige Inhalation dieses Öls potenziell Gehirnatrophie verhindern und so zur Demenzprävention beitragen. Weitere Untersuchungen sind dafür notwendig.
