Bereits drei Todesfälle vermeldet Italien mittlerweile durch das von Mücken übertragene West-Nil-Virus. Forschende untersuchten nun, ob auch andere Tropenkrankheiten bald in Europa auftauchen könnten. Die Vorhersage gestaltet sich aber schwierig.
Forschende des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) haben gemeinsam mit Kolleg:innen der Universität Hamburg erstmals das Risiko einer Übertragung des tropischen Oropouche-Virus (Orov) durch in Europa verbreitete Stechmückenarten untersucht. Das Ergebnis: Unter bestimmten klimatischen Bedingungen kann die invasive Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) das Virus übertragen. Dies stellt ein mögliches Risiko für Südeuropa dar. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse im Fachjournal „The Journal of Infectious Diseases“.
Orov gehört zu den sogenannten Arboviren. Diese werden durch blutsaugende Gliederfüßer übertragen. Bekannte Orov-Überträger waren bislang Gnitzen; welche Rolle Stechmücken spielten war ungeklärt.
Die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (PAHO/WHO) registrierte im vergangenen Jahr über 11.000 bestätigte Fälle. Darunter auch Todesfälle sowie Hinweise auf eine mögliche Übertragung während der Schwangerschaft mit Folgen wie Fehlgeburten und Mikrozephalie. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte das Risiko daraufhin im betroffenen Raum als hoch ein. Auch in Europa wurden Infektionen bei Reiserückkehrenden festgestellt.
Wer überträgt das Virus?
Die zentrale Frage, ob auch Stechmücken als Überträger des Oropouche-Virus in Frage kommen, war bislang ungeklärt. Die nun veröffentlichte Studie liefert darauf erste Antworten, welche essenziell für die Risikobewertung für Europa sind. Die Wissenschaftler:innen untersuchten dafür fünf auf dem europäischen Kontinent verbreitete Stechmückenarten. Darunter sowohl heimische als auch invasive Arten wie Aedes aegypti, Aedes japonicus und Aedes albopictus. Mit dem Oropouche-Virus infizierte Mücken wurden bei unterschiedlichen Temperaturen gehalten.
Im Fokus stand die Frage, ob sich die Stechmücken tatsächlich mit Orov infizieren lassen und ob eine Übertragung durch den Speichel stattfinden kann.
Die Ergebnisse zeigen: Nur Aedes albopictus wies bei Temperaturen von 24 bis 27 Grad Celsius eine geringe Vektorkompetenz für Orov auf. Bei niedrigeren Temperaturen und bei den anderen getesteten Stechmückenarten ließ sich keine Virusübertragung nachweisen. „Um die epidemiologische Relevanz dieser Beobachtung einzuordnen, kombinierten wir unsere Labordaten mit Klimadaten und aktuellen Verbreitungskarten von Aedes albopictus“, so die Forschenden. Die Analyse zeige, dass insbesondere Regionen rund um das Mittelmeer klimatische Bedingungen aufweisen, die eine saisonale Virusübertragung im Sommer begünstigen könnten.
Unter bestimmten Bedingungen möglich
So seien Gebiete wie Spanien, Süditalien, Griechenland und die Türkei besonders betroffen. Dies sind Regionen, in denen sich die Art Aedes albopictus bereits ausgebreitet hat. Es sei ein realistisches, aber begrenztes Risiko, so die Forschenden. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Oropouche prinzipiell auch in Europa übertragen werden könnte, wenn infizierte Reisende auf Populationen von Aedes albopictus in wärmeren Regionen treffen“, sagt Dr. Anna Heitmann, Letztautorin der Studie. „Die Vektorkompetenz ist zwar niedrig, aber nicht gleich null – das macht Wachsamkeit und weitere Forschung notwendig.“
Derzeit lasse sich nicht vorhersagen, ob es in Europa jemals zu autochthonen Ausbrüchen komme, so Heitmann weiter, also zu Infektionen, die nicht durch Reiserückkehrende eingeschleppt, sondern direkt vor Ort durch heimische Stechmücken übertragen werden. „Aber wie bei Dengue, Zika oder Chikungunya sehen wir, dass eingeschleppte Viren durch invasive Stechmückenarten unter bestimmten Bedingungen auch bei uns zirkulieren können.“
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