Paracetamol gilt als sicheres und gut verträgliches Analgetikum. Die Ergebnisse einer aktuellen groß angelegten Kohortenstudie aus Großbritannien stellt die bisherige Behandlungsroutine auf den Prüfstand und kommt zu dem Schluss, dass insbesondere für ältere Menschen durchaus ein großes Risiko bestehen kann. Je höher die Dosis ist, umso ungünstiger zeigt sich das Nutzen-Risiko-Verhältnis.
Die Untersuchung stützt sich auf Daten des „Clinical Practice Research Datalink“ (Cprd-Gold), einer der größten britischen Gesundheitsdatenbanken mit Informationen aus über 700 Hausarztpraxen. Analysiert wurden Daten von rund 583.000 Patientinnen und Patienten über 65 Jahre – darunter über 180.000 Personen, die mindestens zwei Paracetamol-Verordnungen innerhalb von sechs Monaten erhalten hatten. Die Nachbeobachtungszeit betrug durchschnittlich 4,6 Jahre. Geleitet wurde die Studie von Professor Weiya Zhang vom NIHR Biomedical Research Centre an der School of Medicine der Universität Nottingham. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Arthritis Care and Research“ veröffentlicht.
Mehr schwerwiegende Ereignisse bei Älteren
Der Studie liegt das sogenannte Propensity Score Matching zugrunde. Dabei wurden 158.048 Personen paarweise verglichen, um zwei Gruppen anhand ihrer Behandlungswahrscheinlichkeit vergleichbar zu machen und den Effekt einer Maßnahme ohne zufällige Zuweisung zu untersuchen. Das Ergebnis: Die Einnahme von Paracetamol war bei älteren Patientinnen und Patienten signifikant mit einer erhöhten Inzidenz schwerwiegender unerwünschter Ereignisse verbunden – insbesondere gastrointestinale Komplikationen, kardiovaskuläre Ereignisse und chronische Nierenerkrankungen.
Mehr noch: Patientinnen und Patienten, die Paracetamol erhielten, litten häufiger unter Perforationen, Ulzerationen und Blutungen im oberen und unteren Verdauungstrakt. Auch distale gastrointestinale Blutungen waren signifikant erhöht. Darüber hinaus ergab die Analyse ein erhöhtes Risiko für Herzinsuffizienz, arterielle Hypertonie sowie chronische Niereninsuffizienz.
Höhere Dosis, höheres Risiko
Besonders brisante: Die Nebenwirkungen traten dosisabhängig auf. Will heißen, je häufiger das Analgetikum eingenommen wurde, desto größer war das Risiko. Diese Dosis-Wirkungs-Beziehung war auch innerhalb der Paracetamol-Gruppe nachweisbar.
In einer Subgruppenanalyse wurden speziell Patientinnen und Patienten mit Arthrose betrachtet, denn: Betroffene erhalten besonders häufig eine Paracetamoltherapie. In dieser Gruppe zeigten sich ebenfalls erhöhte Risiken für distale GI-Blutungen, Hypertonie und Nierenerkrankungen. Die Annahme, dass Paracetamol in dieser Patientengruppe sicher sei, ist somit nicht haltbar, erklären die Forschenden.
Nicht mehr Mittel der 1. Wahl
Die Autoren der Studie kommen zu einem klaren Schluss: Paracetamol sollte nicht länger routinemäßig als Mittel der ersten Wahl bei chronischen Schmerzen im Alter eingesetzt werden. Angesichts der inzwischen bekannten COX-Hemmung durch Paracetamol ähneln seine Nebenwirkungsprofile in Teilen denen der NSAR. Dies sei ein Umstand, der bisher weitgehend übersehen wurde, so die Studienautoren. Der begrenzten analgetischen Wirksamkeit bei chronischen Schmerzen stehe ein deutlich erhöhtes Nebenwirkungsrisiko gegenüber. Die Nutzen-Risiko-Bilanz falle dadurch ungünstig aus.
Für die klinische Praxis könnte dies einen Paradigmenwechsel bedeuten. Die britische Gesundheitsbehörde Nice hat bereits 2022 reagiert und empfiehlt Paracetamol bei Arthrose nicht mehr routinemäßig.
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