Das primär als Diabetesmedikament eingesetzte und dann als Abnehmmittel weltweit bekannt gewordene Semaglutid wirkt bei Zuckerkranken noch zusätzlich gegen eine ebenfalls vorliegende „Schaufensterkrankheit“. Der Wirkstoff hat laut einer neuen Detailauswertung der sogenannten STRIDE-Studie seinen positiven Effekt unabhängig vom sonstigen medizinischen Hintergrund der Betroffenen.
Weltweit dürften rund 230 Millionen Menschen an der sogenannten peripheren Verschlusskrankheit (pAVK) leiden. Sie wird durch Atherosklerose in den Beinarterien ausgelöst. Verengungen schränken den Blutfluss so ein, dass die Betroffenen nur noch kurze Strecken (schmerzfrei) gehen können. Ganz besonders häufig ist die pAVK bei Diabetikern, die generell ein stark erhöhtes Risiko für Atherosklerose-bedingte Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Nierenerkrankungen haben.
Erweiterung des Anwendungsgebietes empfohlen
Bei der Suche nach besseren medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten stießen die Wissenschafter in den vergangenen Jahren auch auf die relativ neuen Antidiabetika, die GLP-1-Rezeptoragonisten wie Semaglutid. Der Wirkstoff (Ozempic, Wegovy) wurde in Europa schon vor Jahren zur Behandlung von Typ-2-Diabetes zugelassen. Dann kam die Anwendung in höherer Dosierung bei Personen mit Adipositas. In den USA gibt es auch schon eine Zulassung zur Behandlung der nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung.
Im Frühjahr dieses Jahres hat ein internationales Wissenschafterteam mit dem Wiener Diabetologen Bernhard Ludvik und dem Grazer Endokrinologen Harald Sourij als Co-Autoren im „Lancet“ ein weiteres mögliches Anwendungsgebiet des Wirkstoffes belegt: die periphere Verschlusskrankheit von Zuckerkranken. In der STRIDE-Untersuchung waren 792 Typ-2-Diabetiker im mittleren Alter von 68 Jahren an 112 Behandlungszentren in 20 Ländern per Zufall einer Gruppe zugeteilt worden, die einmal wöchentlich eine Injektion von einem Milligramm Semaglutid erhielt. Die andere Hälfte der Probanden bekam ein Placebo.
Beim Messen der Gehleistung auf dem Laufband zeigte sich bei den Diabetikern mit Semaglutid-Behandlung nach einem Jahr eine Erhöhung der maximal zurücklegbaren Gehstrecke um 21 Prozent. In der Placebo-Gruppe waren es plus acht Prozent. Mittlerweile gibt es auch aufgrund dieser Ergebnisse seit Ende Juni dieses Jahres eine Empfehlung des Expertenkomitees der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) auf Erweiterung des Anwendungsgebietes des Medikaments.
Vom Blutzucker unabhängiger Effekt auf Arterien
Vor wenigen Tagen ist in der Zeitschrift der amerikanischen Diabetes-Vereinigung (ADA; Diabetes Care – https://doi.org/10.2337/dc25-1082) eine Spezialauswertung der Studie erschienen. Dabei ging es um die Analyse des Effektes von Semaglutid bei den Diabetikern mit pAVK als Probanden der STRIDE-Studie nach Unterkategorien ihrer Grunderkrankung.
Das Ergebnis spricht für das Medikament zur Behandlung von Diabetikern mit „Schaufensterkrankheit“: Ob die Probanden weniger oder länger als zehn Jahre zuckerkrank waren, adipös waren oder nicht – Semaglutid verbesserte ziemlich gleichmäßig deren Gehfähigkeit im Vergleich zu den Probanden der Vergleichsgruppe.
Das galt auch für Patienten mit Insulinbedarf oder der Verwendung anderer Blutzucker senkender Medikamente. Schließlich zeigte sich, dass die positive Wirkung auch ohne Einfluss der Qualität der Blutzuckereinstellung eintrat. Das spreche für einen von den Blutzuckerwerten unabhängigen Effekt von Semaglutid, stellten die Autoren fest.
APAMED