Taurin findet sich in vielen Energy-Drinks, um die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit zu steigern. Den Hype um das aufputschende Mittel befeuerte eine vor zwei Jahren im Fachjournal Science veröffentlichte Studie. Die Ergebnisse deuteten auf eine lebensverlängernde Wirkung hin. Eine aktuelle Studie brachte nun aber ein anderes Ergebnis und warnt sogar vor der Einnahme in bestimmten Situationen.
Einige Studien haben gezeigt, dass der Taurinspiegel im Blut mit dem Alter abnimmt und eine Supplementierung potenziell die Gesundheit verbessern und Lebensspanne verlängern könnte. Neue Ergebnisse zeichnen jedoch ein differenzierteres Bild: In Untersuchungen an Mäusen, Primaten und drei großen, über längere Zeit beobachteten menschlichen Kohorten zeigte sich eine große individuelle Variation der Taurinwerte.
In den meisten Fällen stiegen die Taurinkonzentrationen im Erwachsenenalter sogar an. Zudem konnten keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen Taurinwerten und Gesundheitsstatus festgestellt werden. Die Wirkung einer Taurinsupplementierung hänge daher wahrscheinlich stark vom individuellen Kontext ab, so das Fazit der Forschenden.
Keine Anti-Aging-Substanz
Konkret: Der Anti-Aging-Effekt von Taurin bleibt laut der neuen Studie „Is taurin an aging biomarker?“ aus und eignet sich daher nicht als Biomarker für das physiologische Alter. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Science veröffentlicht. Die aktuelle Längsschnittstudie unter der Leitung von Dr. Maria Emilia Fernandez vom National Institute on Aging in Baltimore, konnte anders als frühere Querschnittsstudien demnach keinen Rückgang des Taurin-Spiegels im Blut mit dem Alter feststellen.
„Die Studie zeigt, dass es keine verlässlichen Referenzwerte für Taurin gibt, die für eine größere Personengruppe gelten könnten“, erklärt auch Dr. Kristina Norman vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) gegenüber dem Portal Medscape. Es gebe eine Reihe von Interventionsstudien, die mögliche Effekte einer Taurin-Supplementierung analysierten, so die Ernährungswissenschaftlerin. „Diese sind aber zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen, was eine Bewertung schwierig macht.“
Erhöht Taurin das Leukämie-Risiko?
Die Zuführung von Taurin kann auch gesundheitsschädlich sein, wie eine weitere Analyse zeigt. Bei manchen Menschen erhöht sich demnach das Risiko für Blutkrebs. Das sind die Ergebnisse der Studie „Taurine from tumour niche drives glycolysis to promote leukaemogenesis“ unter der Leitung von Sonali Sharma, Department of Biomedical Genetics, University of Rochester Medical Center, Rochester, USA. Veröffentlicht wurden die Erkenntnisse im Fachjournal „Nature“. Sharma stieß demnach in der Mikroumgebung von Blutkrebszellen auf vermehrte Taurin-Konzentrationen.
Die Forschenden konnten außerdem in den Membranen der Zellen spezielle Taurin-Transporter entdecken, die die Substanz ins Zellinnere beförderten. Dort war Taurin an der Glykolyse beteiligt. Will heißen: Taurin könnte das Wachstum von Leukämiezellen fördern.
Zur generellen Einnahme von Taurin sagen die Forschenden deshalb: „Wir haben keine belastbaren wissenschaftlichen Beweise dafür, ob und in welchen Dosierungen es leistungssteigernd wirkt oder sich gar das Altern aufhalten lässt.“ Von einer vorsorglichen Supplementierung rate man daher ab. Die Studienautor:innen empfehlen zudem, bei „akuten myeloischen Leukämien vorsichtig mit Energydrinks und Nahrungsergänzungsmitteln“ zu sein, die Taurin enthalten.
Natürliche Quellen beachten
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) empfiehlt pro Kilogramm Körpergewicht am Tag nicht mehr als 100 Milligramm Taurin aufzunehmen. Für Energydrinks liegt das Limit in Österreich (wie auch in Deutschland) nach gesetzlichen Vorgaben bei 400 Milligramm Taurin pro 100 Milliliter. Aber das ist nicht die einzige Aufnahmequelle: Das Abbauprodukt der Aminosäuren Cystein und Methionin ist vor allem in Fleisch, Fisch, Meeresfrüchten und Milchprodukten enthalten.
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