Was als kalorienarme Alternative gilt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als metabolisch komplex: Sorbitol, ein weit verbreiteter Zuckeraustauschstoff, steht im Verdacht, den Leberstoffwechsel ähnlich zu beeinflussen wie klassischer Zucker. Neue experimentelle Daten zeigen, dass der Körper Sorbitol in Fruktose umwandeln kann, mit möglichen Folgen für die Lebergesundheit.
Zuckeralkohole wie Sorbitol werden häufig als „zuckerfreie“ oder „diabetikergeeignete“ Süßungsmittel beworben. Sie stecken in Kaugummis, Bonbons, Proteinriegeln und zahlreichen verarbeiteten Lebensmitteln. Eine aktuelle Studie, veröffentlicht in Science Signaling, stellt diese vermeintliche Unbedenklichkeit nun infrage. Das Forschungsteam um Gary Patti untersuchte, wie Sorbitol im Körper verarbeitet wird, mit überraschenden Ergebnissen.
Sorbitol und Fruktose: Enger verwandt als gedacht
Eine zentrale Erkenntnis der Studie ist, dass der Zuckeralkohol Sorbitol biochemisch nur einen einzigen Stoffwechselschritt von Fruktose entfernt ist. Im Darm kann Glukose über den sogenannten Polyolweg zunächst in Sorbitol umgewandelt werden. Gelangt dieses Sorbitol anschließend in die Leber, wird es dort weiter zu Fruktose beziehungsweise Fruktose-1-phosphat metabolisiert.
Fruktose wiederum ist seit Jahren dafür bekannt, den Leberstoffwechsel zu belasten. Sie fördert die Fettsynthese und steht in engem Zusammenhang mit der Entstehung der metabolisch bedingten Fettlebererkrankung (MASLD), von der weltweit rund 30 Prozent der erwachsenen Bevölkerung betroffen sind.
Die Rolle des Darms
Ein entscheidender Faktor ist dabei das Darmmikrobiom. In den Versuchen mit Zebrafischen, einem etablierten Modell für Stoffwechselerkrankungen, zeigte sich: Gesunde Darmbakterien können Sorbitol abbauen, bevor es die Leber erreicht. Bestimmte Bakterienstämme, insbesondere Aeromonas-Arten, neutralisieren Sorbitol zu harmlosen Stoffwechselprodukten. Fehlen diese Bakterien, etwa nach Antibiotikagabe, gelangt Sorbitol ungehindert in die Leber. Dort löst es eine Kaskade aus, die zu vermehrter Glukoseverwertung, gesteigerter Fettsynthese und schließlich zu hepatischer Steatose führt.
Wenn das System überlastet wird
Problematisch wird es nicht nur bei einer gestörten Darmflora. Auch hohe Mengen an Sorbitol können das natürliche Schutzsystem überfordern. Selbst bei intaktem Mikrobiom reichte eine erhöhte externe Zufuhr aus, um bei den Versuchstieren eine Fettleber zu verursachen. Das bedeutet: Nicht nur der Zuckerersatz selbst, sondern auch die Kombination aus hoher Glukosezufuhr und Sorbitol kann den Stoffwechsel in eine ungünstige Richtung lenken.
Fazit
Die Studie zeigt eindrücklich, dass es beim Thema Süßungsmittel keine einfache Abkürzung gibt. Sorbitol ist metabolisch keineswegs inert, sondern kann, abhängig von Dosis und Darmflora, in der Leber ähnliche Effekte auslösen wie Fruktose. Oder, wie es der Studienleiter nüchtern formuliert:
Es gibt auch bei Zuckerersatzstoffen kein „kostenloses Mittagessen“.
