Moderater Zimt- und Zimtölkonsum gilt für gesunde Menschen als unbedenklich. Eine aktuelle In-vitro-Studie zeigt jedoch, dass bei Wirkstoffen wie Warfarin oder Theophyllin, die über CYP2C9 oder CYP1A2 abgebaut werden, ein erhöhtes Risiko für Wechselwirkungen besteht.
Die Hochsaison des Zimtkonsums liegt im Winter. Viele verwenden das Gewürz aber das ganz Jahr und Diabetiker:innen setzten gerne auf den zucker-regulierenden Effekt der Rinde. Wer Zimt in hohen Dosen konsumiert und dabei nicht nur auf einen wässrigen Auszug setzt, sollte vorsichtig sein. Der Metabolismus von Medikamenten, die über das Cytochrom-P450-System (CYP450) verstoffwechselt werden, kann durch den Konsum von Zimt – insbesondere von Zimtöl – beeinflusst werden. Dies kann die Wirksamkeit oder Toxizität von Arzneimitteln erheblich verändern.
Das Gewürz verlangsamt den Abbau dieser Medikamente, kann aber in einigen Fällen auch die Verstoffwechslung beschleunigen. Die Folge können unerwünschte Nebenwirkungen oder verminderte Wirksamkeit sein. Besonders kritisch sind langfristige oder hohe Dosen von Zimt, wie die Ergebnisse einer aktuellen In-vitro-Studie des National Center for Natural Products Research, der School of Pharmacy und der Universität Mississippi zeigen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift „Food Chemistry: Molecular Sciences“ veröffentlicht.
Wichtig ist dabei: Es handelt sich nicht um eine Studie mit menschlichen Probanden. Die Untersuchungen wurden an Lebermikrosomen, S9-Fraktionen sowie an kultivierten Zelllinien (HepG2 und LS174T) durchgeführt.
Zahlreiche Wirkstoffe betroffen
Cinnamaldehyd, der wichtigste Wirkstoff in Zimtöl, kann bestimmte Enzyme im Körper hemmen, die für den Abbau von Medikamenten verantwortlich sind (CYP2C9 und CYP1A2). Außerdem zeigte Zimtöl, dass es bestimmte Rezeptoren in Leber- und Darmzellen aktiviert (PXR und AhR). Dadurch könnte sich die Aktivität von weiteren Abbauenzymen langfristig verändern. Besonders bei regelmäßigem oder hochdosiertem Verzehr von Zimt steigt dadurch das Risiko, dass pflanzliche Inhaltsstoffe die Wirkung von Medikamenten beeinflussen.
Klinische Beispiele für mögliche Wechselwirkungen:
- Theophyllin: Wird durch CYP1A2 abgebaut. Hemmung durch Cinnamaldehyd könnte die Konzentration im Blut erhöhen, Nebenwirkungen wie Nervosität, Schlaflosigkeit oder erhöhter Blutdruck sind möglich.
- Warfarin: Über CYP2C9 metabolisiert. Hemmung könnte zu verlängerten Gerinnungszeiten führen, was das Risiko für Blutungen erhöht.
- Metformin: Die Wirkung kann indirekt durch Enzyme wie CYP2C9 beeinflusst werden. Da Zimt blutzuckersenkende Eigenschaften hat, kann das Gewürz die Wirkung von Metformin potenziell verstärken.
- Glibenclamid: Sulfonylharnstoff, der durch CYP2C9 metabolisiert wird. Die Wirkung dieses Medikaments kann verstärkt oder abgeschwächt werden.
- Clozapin: Wird durch CYP1A2 metabolisiert. Zimt könnte die Aktivität von CYP1A2 beeinflussen, was zu einer veränderten Metabolisierung und einem erhöhten Risiko für Nebenwirkungen wie Sedierung oder Toxizität führen kann.
- Olanzapin: Über CYP1A2 metabolisiert. Eine Änderung der Enzymaktivität könnte die Blutspiegel von Olanzapin verändern.
- Lamotrigin: Überwiegend über CYP2C9 und CYP3A4 metabolisiert. Eine Wechselwirkung mit Zimt könnte die Wirkung und Toxizität dieses Medikaments beeinflussen.
- Valproinsäure: Wird durch CYP2C9, CYP2C19 und CYP1A2 metabolisiert. Wenn Zimt die Enzymaktivität verändert, könnten sich die Blutspiegel dieses Medikaments erhöhen oder verringern.
- Losartan: Hauptsächlich durch CYP2C9 metabolisiert. Eine Änderung der Enzymaktivität könnte die Wirkung von Losartan verstärken oder abschwächen.
- Amlodipin: Über CYP3A4 metabolisiert. Zimt könnte die Metabolisierung von Amlodipin beeinflussen und somit die Blutdruckregulation verändern.
- Diltiazem: Calciumkanalblocker, der durch CYP3A4 metabolisiert wird. Eine Wechselwirkung mit Zimt könnte die Wirkung dieses Medikaments verändern.
Patientinnen und Patienten, die regelmäßig in hohen Dosen Zimt konsumieren, sollten dies vorab mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt abklären, insbesondere wenn sie Medikamente einnehmen, die über das CYP450-System abgebaut werden. Eine Selbstmedikation mit hochdosierten Zimtpräparaten ist laut den Forschenden nicht unbedenklich, während Zimtbestandteile bei normalem Konsum vermutlich kein hohes Risiko darstellen. Erst bei langfristiger Einnahme oder hohen Dosen könne es zu relevanten Veränderungen des Arzneimittelstoffwechsels kommen.
APOTHEKE ADHOC