Deutsche Apothekerkammer muss Beiträge zurückzahlen


Patrick Hollstein

Deutsches Apotheken-Logo hängt an einer Hauswand.
Einige Apotheken in Deutschland bekommen Teile ihres Kammerbeitrags zurückerstattet. Das Gericht erkannte keinen Grund für die Höhe der angesammelten Rücklagen.Dan Race/AdobeStock_551065748

In Deutschland wird jedes Bundesland von einer eigenen Apothekerkammer verwaltet. Diese sind befähigt, Kammerbeiträge von ihren Mitgliedern einzuheben. Die Summe sei zumindest in einem Fall zu hoch gewesen, urteilt der Verwaltungsgerichtshof Düsseldorf und verurteilt die Apothekerkammer Nordrhein zur Rückzahlung an ihre Mitglieder.

Ein Apotheker aus Nordrhein-Westfalen (NRW) hatte gegen die Festsetzung der Beiträge seit 2021 geklagt, weil er jährlich einen mittleren fünfstelligen Betrag an Kammerbeitrag zahlen muss. Er ist der Ansicht, dass der Umsatz keine geeignete Grundlage darstellt, da Spezialversorger wie er eine deutlich niedrigere Marge als der Durchschnitt hätten.

Kein Anlass für hohe Beiträge

Vor allem gebe es überhaupt keinen Anlass, solche exorbitanten Beiträge zu erheben. Nach § 6 Heilberufegesetz NRW dürften die Kammern nämlich nur Beiträge erheben, die „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ notwendig seien. Die Apothekerkammer sitze auf Millionenrücklagen, die zuvorderst zur Deckung des Haushalts herangezogen werden müssten. Diese seien nicht nur dem Umfang nach nicht zu rechtfertigen, ihr Zweck sei auch vollkommen unklar. Daher müssten sie abgebaut werden. Denn Kammern sei es grundsätzlich nicht erlaubt, ein Vermögen aufzubauen.

Die Kammer hielt dagegen: Bei der Erhebung der Beiträge sei ihr ein weit reichender Spielraum einzuräumen. Auch andere Kammern legten bei der Beitragserhebung den Umsatz zugrunde; bei der Streichung des Deckels sei man dem Nachbarbezirk Westfalen-Lippe gefolgt. Es gebe bislang auch keine gerichtlichen Entscheidungen, die die Einbeziehung besonders hoher Umsätze etwa aus Spezialbereichen in Frage gestellt hätten.

Kammer verteidigt Rücklagenbildung

Was die Rücklagen angehe, verfolge man das Ziel, den Haushalt vorausschauend zu planen. Da man nur in sehr restriktivem Umfang auf Kredite zurückgreifen könne, habe die Haushaltsdeckung einen besonders hohen Stellenwert. Zwar sei das Beitragsaufkommen zuletzt „unerwartet“ gestiegen. Das sei aber nicht vorhersehbar gewesen. Ohnehin sei in der Regel nicht abschätzbar, wie sich die Umsätze und die Zahl der Apotheken entwickeln werde. Im Übrigen habe man den Hebesatz zuletzt abgesenkt.

Das Verwaltungsgericht ließ sich davon nicht beeindrucken. Rücklagen müssten immer der Höhe nach angemessen („Schätzgenauigkeit“) und durch einen sachlichen Zweck zu rechtfertigen sein; anderenfalls sei von einer unzulässigen Vermögensbildung auszugehen.

Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst auf ein zulässiges Maß zurückführen muss.

Ein Haushaltsplan könne entsprechend nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsehe, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehalte.

Pauschale Fortschreibung ohne Prüfung der Liquidität

Von 2021 bis 2024 habe die allgemeine Rücklage durchweg bei 3 Millionen Euro gelegen – ohne dass erkennbar sei, dass sich die Kammerversammlung damit befasst habe. Vielmehr sei eine pauschale Fortschreibung erfolgt, die keinen Bezug zu einem tatsächlich bestehenden Liquiditätsrisiko gehabt habe. „Eine Kalkulation der allgemeinen Rücklage hat nicht stattgefunden, wäre aber geboten gewesen“, so das Gericht.

Auch die sogenannte Ausgleichsrücklage zur Kompensation drohender Einnahmeausfälle oder Kostensteigerungen ist laut Urteil nicht zu rechtfertigen. 2021 hatte sie bei knapp 1,5 Millionen Euro gelegen, danach zwei Jahre lang bei rund 2,5 Millionen Euro und 2024 schließlich bei 2,9 Millionen Euro.

Keine nachvollziehbare Begründung für Sicherungsbedürfnis

Laut Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerfG) in der Vergangenheit Ausgleichsrücklagen in Höhe von 15 Prozent der geplanten Ausgaben für zulässig und 40 Prozent für überhöht erklärt. In anderen Fällen hätten Vorinstanzen teilweise 30 Prozent noch für angemessen betrachtet.

Das Verhältnis liege bei der Apothekerkammer Nordrhein deutlich darüber. „Eine nachvollziehbare und stichhaltige Begründung für ein solches Sicherungsbedürfnis hat sie nicht geliefert. Es ist auch sonst nicht erkennbar.“ Laut Urteil gibt es ein „Missverhältnis zwischen den Rücklagen [der Kammer] und dem von ihr dargelegten Bedürfnis nach einer finanziellen Absicherung“.

Für die Kammer selbst kommt das Urteil vermutlich extrem ungelegen. Mit knapp 12.000 Mitgliedern gehört Nordrhein nicht nur zu den größten Kammern in Deutschland, sie stellt mit ihrem Präsidenten Dr. Armin Hoffmann auch noch den Spitzenfunktionär bei der Bundesapothekerkammer (BAK) und ist damit besonders exponiert. Vor allem aber könnte sie bald schon tatsächlich erstmals auf die Rücklagen angewiesen sein: Ende Juli entscheidet der Bundes-gerichtshof (BGH) über eine Schadenersatzforderung von DocMorris in Millionenhöhe.

APOTHEKE ADHOC



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