Liebe Ärztekammer: Hört auf eure eigenen Worte!


Astrid Janovsky

Zwei Personen im weißen Mantel kontrollieren Medikamentenregale.
Wer hat die besser Kompetenz in der Arzneimittelversorgung? Die Ärztekammer bringt sich bei dem Thema immer mehr in Position.MarGa/AdobeStock_1269962995

Dass die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) nicht der größte Freund der Apothekerschaft ist, hat sich schon länger herauskristallisiert. In letzter Zeit wird der Wind von den Ärztevertreter:innen aber gefühlt rauer. Neuerdings hat man sich als Lieblingsthema die Medikamentenversorgung auf die Fahnen geschrieben. Erst gab es eine Pressekonferenz, dann eine Pressemeldung. Was da teilweise gegen die Apotheken vorgebracht wird, lässt einen staunen – nicht nur, weil die ÖÄK selbst ein schlagendes Argument gegen die Hausapotheke liefert. Ein Kommentar von Astrid Janovsky

Eine gewagte – und doch nicht abwegige – Vermutung: Man will sich im Bereich der Arzneimittelversorgung als Experte positionieren, um eine gute Grundlage für den nächsten Vorstoß in Richtung Hausapotheken zu legen. Dabei hat Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart erst vor wenigen Tagen selbst das Killerargument geliefert, warum der Verschreiber nicht auch der Distributor sein soll: Aufgrund des finanziellen Interesses.

Gut, er hat es nicht genau so formuliert. Stattdessen unterstellt er den Apotheken, im Falle einer Wirkstoffverschreibung das für den Betrieb lukrativste Packerl über die Tara zu schieben. Jetzt denke ich persönlich zwar, dass die allermeisten im Sinne der Compliance sehr wohl die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden berücksichtigen und nicht wild drauf los tauschen, aber vermutlich wird es den einen oder die andere geben, die den finanziellen Aspekt im Rücken hat. Andererseits: Warum denn auch nicht? Warum sollen die Apotheken hier nicht einen gewissen Spielraum bekommen? In anderen Ländern funktioniert das Tauschen der Präparate auch. Jetzt ist das System zum Beispiel in Deutschland zwar in bisschen anders gelagert, da entscheidet nicht die Apotheke, sondern die Krankenkasse, aber letztendlich liefert der Arzt mehr oder weniger die Wirkstoffverschreibung. Gerade bei Klinikrezepten ist tatsächlich häufig nur der Wirkstoff und die Stärke vermerkt.

Kein finanzielles Interesse bei Medikamentenwahl

In einem Punkt hat Steinhart aber ganz sicher recht: Eine mögliche Beeinflussung durch finanzielle Interessen muss bei so einem diffizilen Thema wie Gesundheit berücksichtigt werden. Deshalb kann es nicht sein, dass der Verschreibende von seiner Verordnung (in Form der Abgabe über die Hausapotheke) profitiert. Auf der einen Seite stellt man alle Maßnahmen der Industrie zur Einflussnahme auf ärztliche Entscheidungen ab, auf der anderen Seite öffnet man mit einer HAPO aber Tür und Tor für das Bedienen der eigenen finanziellen Interessen. Würden Ärzt:innen nie tun? Warum sollten es dann Apotheker:innen (mit viel weniger Spielraum) machen?

Auch die jüngste Meldung zum Thema Arzneimittelversorgung aus dem Ärztekammerlager mutet etwas seltsam an: Apotheken sollen für die Arzneimittelversorgung verantwortlich sein. So weit, so stimmig. Im Subtext lässt ÖÄK-Vizepräsident Edgar Wutscher aber durchklingen, dass Apotheken die Lieferengpässe beheben sollten. Wörtlich spricht er von einer „Verpflichtung“, dass „die Versorgung mit ALLEN Spezialitäten, aber auch mit von ihnen zubereitbaren Medikamenten sichergestellt ist“. Heißt das, was nicht lieferbar ist, soll im Apothekenlabor hergestellt werden? Offensichtlich hat der Arzt keine Ahnung, was es heutzutage für die Produktion so mancher Arzneimittel bedarf. Auf der anderen Seite ist die mitschwingende Unterstellung ein Affront gegen die Apothekerschaft, die in den letzten Jahren alle Hebel, Mörser, Pistille, Rührwerke und sonstige Geräte in Bewegung gesetzt hat, um zumindest den Mangel an Fieber- und Antibiotikasäften auszugleichen.

Arzneimittelbeschaffung für Apotheken „zu kompliziert”?

Weil es aber laut Wutscher absehbar ist, dass die Apotheken den zukünftigen Anforderungen bezüglich Versorgung nicht gewachsen sein werden, springen gerne die Ärztinnen und Ärzte in die Presche, um das zu übernehmen. Sie würden auch bei der Erschließung neuer Vertriebswege in Europa unterstützen, „die für Apotheken aktuell zu bürokratisch oder kompliziert sein könnten.“ Interessant. Nicht nur, aber gerade durch die länderweite Vernetzung des Großhandels und den Einbezug von Parallelimporten verfügen die Apotheken über ein Netz, von dem die Ärzteschaft doch meilenweit entfernt ist.

Dass die Ärztekammer versucht, Landarztstellen zu besetzen, ist ein verständliches und unterstützenswertes Unterfangen. Ob das durch eine Hausapotheke nachhaltig gelingen würde, wenn die Arbeitseinstellung der neuen Arztgenerationen von Millennials über Gen Z bis Gen Alpha einfach diametral anders gelagert ist als das, was man aktuell von einem (selbstständigen) Landarzt erwartet, sei dahingestellt. Und eines ist klar: Ob sich dadurch wieder Ärzte und Ärztinnen im Vorarlberger Alpendorf ansiedeln, ist Theorie – dass die Apotheken aktuell flächendeckend da sind, wo sie die Leute brauchen, eine Tatsache.



Newsletter

Bleiben Sie stets informiert!