Werbeverbot für Phyto-NEMs: Warum es sinnvoll ist und der Apotheke hilft


Astrid Janovsky

Das Werbeverbot für Botanicals hat weniger mit Studien als vielmehr mit der nicht vergleichbaren Qualität von Pflanzenextrakten zu tun.stock.adobe/Maryna

Health Claims regulieren die gesundheitsbezogenen Aussagen von Nahrungsergänzungsmitteln, allerdings gibt es keine Claims für Pflanzen oder Pflanzenextrakte. Dem wurde eben vom EuGH erneut eine Absage erteilt. Das heißt aber nicht, dass Botanicals nicht wirken. Viel mehr verlangt diese Regelung, dass man bei pflanzlichen Produkten genau hinsieht, was in der Packung steckt. Eine Chance für die Apotheken – wenn sie ihre Hausaufgaben machen. Ein Kommentar von TARA24-Redakteurin Astrid Janovsky.

Letzte Woche hat der EuGH beschlossen, dass für phytobasierte Nahrungsergänzungsmittel (NEM), sogenannte „Botanicals“, keine gesundheitsbezogenen Aussagen in Werbebotschaften verwendet werden dürfen. Konkreter Anlass war ein Safranprodukt, das als stimmungsaufhellend und stresslindernd beworben worden war. Das Urteil hat medial durchaus für Aufsehen gesorgt, ist aber eigentlich gar nicht so besonders, wenn man weiß, was dahintersteckt.

Health Claims gegen Werbe-Wildwuchs

Seit 1. Juli 2007 regelt die „Health Claims Verordnung“, welche gesundheitsbezogenen Aussagen auf Nahrungsergänzungsmitteln erlaubt sind. Health Claims beziehen sich aber nur auf Reinstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe und geben auch eine bestimmte Dosierung vor. Magnesium ist einer der Spitzenreiter, was die Anzahl an unterschiedlichen Claims angeht. So darf ein Produkt, das den Mineralstoff enthält, unter anderem für Energiehaushalt, Psyche, Immunsystem, Blutdruck und Muskelfunktion beworben werden. Es sind aber auch hier keine Heilsversprechen und Krankheitsbezüge erlaubt (z.B. „verbessert die Muskelfunktion“, „lindert Muskelkrämpfe“), sondern lediglich gesundheitsbezogene Hinweise („für den Erhalt einer normalen Muskelfunktion“). Einer der Gründe für die Einführung der Health Claims war ein Wildwuchs der Lebensmittelindustrie mit „funktionellen Lebensmitteln“ wie Joghurts, die die Abwehrkräfte steigern sollten, oder Margarine mit einem Hauch von zugesetztem Omega 3-Fettsäuren, die positiven Einfluss auf den Cholesterinspiegel versprach.

Für Pflanzenextrakte und Pflanzenteile gab (und gibt) es keine Health Claims. Und das ist nachvollziehbar. Für das letzte Woche gefällte EuGH-Urteil wurde häufig als Begründung interpretiert, dass es bei Pflanzen und Pflanzenextrakten keine valide Studienlage zur Wirksamkeit gebe. Das ist nur bedingt richtig. Bei sehr vielen Pflanzen liegt sogar eine große Menge an (durchaus auch sehr guten) Studien vor. Das Problem dabei ist, dass es im Unterschied zu einem Reinstoff wie Vitamin C oder Magnesium bei einem Pflanzenextrakt manigfaltige Variationsmöglichkeiten gibt. Die Inhaltsstoffe unterscheiden sich je nach Varietät und Ernte. Das Extraktionsverfahren spielt eine entscheidende Rolle und auch, welche Begleitstoffe enthalten sind oder eliminiert wurden. Es lässt sich also im Bereich der Phyto-NEMs für einzelne Pflanzen keine allgemein gültige Aussage treffen, weil sich Qualität, Zusammensetzung und somit Wirksamkeit von Produzent zu Produzent (und bei schlechten Produkten sogar von Charge zu Charge) unterscheiden.

Unterschied pflanzliches Arzneimittel/NEM

Anders sieht es bei einem Arzneimittel aus: Hier wird mit einem standardisierten Extrakt gearbeitet, wo bis hin zum Anbaugebiet der Pflanze alles in den GMP-Regeln festgelegt ist. Es muss genau die Produktqualität gewährleistet sein, mit der die Zulassung beantragt wurde. Das heißt aber nicht, das Phytopharmaka automatisch besser sind als Botanicals. Viele NEM-Hersteller arbeiten ebenfalls nach GMP, verfügen über Studien zu ihren Pflanzenextrakten und produzieren ausgezeichnete Qualität, haben sich aber meist aus ökonomischen Gründen für den Vertriebsweg als NEM entschieden. Deshalb ist es wichtig, sich gerade bei pflanzenbasierten Nahrungs-ergänzungsmitteln mit den Qualitätsanforderungen des Herstellers auseinanderzusetzen. Hier können die Apotheken ihre Trumpfkarte als Kontrollorgan und Gate Keeper ausspielen.

Es gibt allerdings ein Schlupfloch für NEM-Produzenten, ihre Botanicals mit gesundheitsbezogenen Aussagen zu versehen: Indem sie Vitamine oder Mineralstoffe mit entsprechenden Health Claims zusetzen. Dann ist beispielsweise die Schlaf-bezogene Signatur auf dem NEM-Lavendel-Präparat nicht der Pflanze, sondern dem ebenfalls enthaltenen Magnesium zu verdanken. Daher: Augen auf bei Botanicals. Denn es gibt Produkte mit ausgezeichneter Qualität und hoher Wirksamkeit, aber eben auch minderwertigen Pflanzenramsch.

Beratung und Empfehlung gefordert

Dass für Pflanzen(extrakte) keine Health Claims ausgelobt werden, passiert meiner Meinung nach zurecht, da es aufgrund der Komplexität keine einheitliche Qualität geben kann. Es liegt in der Verantwortung der Apotheken, hochwertige Präparate zu indentifizieren. Die Regelung bietet für die Apotheken aber auch eine große Chance: Das Fehlen von  Werbung und einer selbsterklärenden Verpackung ermöglicht es den Apotheken in der Beratung, sich im Bereich der Botanicals  zu profilieren.



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