Fast fünf Prozent der Gesundheitsausgaben in Österreich entfallen auf die Behandlung von Adipositas und deren Folgeerkrankungen. Rund 4.000 Menschen sterben jährlich an den Folgen der Fettleibigkeit, was acht Prozent der Todesfälle im Land ausmacht, wie eine neue Analyse des Instituts für Höhere Studien (IHS) zeigt. Die Österreichische Adipositas Allianz (ÖAA), ein Zusammenschluss mehrerer Fachärztegesellschaften, fordert von der Politik verstärkte Maßnahmen gegen die Krankheit, die nicht selbstverschuldet sei.
Laut IHS sind 53 Prozent der Bevölkerung in der EU übergewichtig, das heißt, sie haben einen Body-Mass-Index (BMI) von 25 oder mehr. In Österreich sind 18 Prozent der Männer und 15 Prozent der Frauen adipös, also krankhaft übergewichtig mit einem BMI ab 30. Bei Neunjährigen liegt der Anteil der fettleibigen Buben bei zehn Prozent, bei den Mädchen bei 6,7 Prozent, erklärte Thomas Czypionka, Leiter der Forschungsgruppe Gesundheitsökonomik und Gesundheitspolitik am IHS, bei einer Pressekonferenz in Wien.
Die IHS-Studie, die auf Daten aus dem Jahr 2019 basiert, beziffert die Gesamtkosten von Adipositas in Österreich auf 2,4 Milliarden Euro. Davon entfallen 1,9 Milliarden Euro auf direkte Gesundheitskosten, während 480 Millionen Euro durch Arbeitsausfälle entstehen. Adipositas verursacht 537.000 Krankenhaustage und 1,2 Millionen Krankenstandstage und ist für 5,6 Prozent der Invaliditätspensionen verantwortlich, so Studienautorin Stephanie Reitzinger. Nicht eingerechnet sind dabei jedoch informelle Pflegekosten, psychische Belastungen oder Einkommenseinbußen der Betroffenen aufgrund von Diskriminierung.
Erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen
Fettleibigkeit erhöht das Risiko für zahlreiche Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Arthrose und kann zu Unfruchtbarkeit führen. Menschen mit Hochrisiko-Adipositas sterben im Schnitt knapp fünf Jahre früher und verlieren fast zehn gesunde Lebensjahre. „Adipositas beeinflusst Gesundheit, Lebensqualität, Lebenserwartung und Einkommen“, fasste Czypionka zusammen.
Florian Kiefer, Mediziner und Mitglied der ÖAA, fordert mehr politische Initiative. Es könnte etwa ein Werbeverbot für Süßigkeiten in Kinderprogrammen oder eine Zuckersteuer in Erwägung gezogen werden. Auch der Sportunterricht sollte stärker auf Freude an der Bewegung statt auf Leistung ausgerichtet werden, um weniger fitte Kinder nicht zu entmutigen. Ernährungswissen in Schulen sei ebenfalls essenziell, so Kiefer.
Eine zentrale Forderung der ÖAA lautet, Adipositas endlich als eigenständige chronische Krankheit anzuerkennen. Es gelte, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, Stigmatisierung und Diskriminierung abzubauen und einen gerechten Zugang zu leitliniengerechter Therapie zu ermöglichen. Adipositas sei keine Frage von Disziplinlosigkeit, betonte Kiefer, sondern erfordere umfassende Präventions- und Behandlungsmaßnahmen.