Alkohol und Altern: Einfluss auf die Langlebigkeit 


Viktoria Gamsjäger

Alkoholkonsum beeinflusst die Epigenetik und kann den Alterungsprozess beschleunigen.AdobeStock_1187265871 / deagreez

Alkohol steht mit über 200 Krankheiten in Verbindung und beeinflusst dabei sogar, wie schnell wir altern. Der Molekularbiologe Dr. Slaven Stekovic zeigte im Rahmen der Dialogwoche Alkohol, wie stark unser Lebensstil, insbesondere der Alkoholkonsum, die Zellalterung und Lebensqualität beeinflussen kann. Die gute Nachricht: Nur etwa vier Prozent unseres Alterns sind genetisch festgelegt. Der Rest liegt – im wahrsten Sinne – in unserer Hand.

Im Rahmen der Kick-Off-Veranstaltung der Österreichischen Dialogwoche Alkohol hielt Dr. Slaven Stekovic einen Vortrag zum Thema Alterungsprozess und Gesundheit im Zusammenhang mit Alkoholkonsum. Der Molekularbiologe und Longevity-Spezialist erklärt: Die Reduktion des Alkoholkonsums spielt eine entscheidende Rolle für den Alterungsprozesse und die Lebensqualität. Passend zum diesjährigen Motto der Alkoholwoche: „Weniger Alkohol- mehr vom Leben“.

„Seit dem Mittelalter hat sich die durchschnittliche Lebensspanne von 35 auf fast 80 Lebensjahre verdoppelt. Vor rund 150 Jahren lebte man nur eine kurze Zeit in Krankheit – sie ging oft mit dem Tod einher. Nicht verdoppelt hat sich jedoch die gesunde Lebensspanne“, erklärt Stekovic. „In Österreich verbringen Personen im Schnitt 20 Jahre ihres Lebens in Krankheit. Das liegt deutlich über dem EU-Schnitt. Deshalb lohnt es sich, auch hier die Mechanismen für ein längeres gesundes Leben, wie etwa der Umgang mit Alkohol, zu kennen und zu verstehen“, so der Experte. 

Verschiedene Generationen – verschiedene Trinkgründe

„Die Generation der Baby-Boomer konsumiert große Mengen an Alkohol und kämpft mit steigendem Alkoholmissbrauch in den letzten Jahren. Interessanterweise nutzt diese Generation (Jahrgänge 1946 bis 1964) Alkohol als Mittel zum Stressabbau und zur Bewältigung der Einsamkeit. Trinken gilt als gesellschaftliche Norm und Belohnung. Dieser Effekt mag zwar emotional positiv besetzt sein, doch die negativen Folgen eines Missbrauchs überwiegen natürlich.“ erklärt Stekovic. „Generation X (1965 bis 1980) und die Millennials (1981 bis 1996) trinken weitaus weniger Alkohol. Hier gilt: Qualität vor Quantität. Alkohol wird bewusst als Begleitung zu Mahlzeiten eingenommen oder soll ein besonderes Erlebnis sein. Etwa bei einer Weinverkostung oder vergleichbaren Events. Bei der Generation Z (1997 bis 2012) wird Alkoholkonsum deutlich als Gesundheitsrisiko gesehen. 45 Prozent dieser Generation geben an, noch nie Alkohol getrunken zu haben“, so der Experte.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig zu wissen: Statistisch gilt in jungen Jahren weniger als ein kleines Bier pro Tag als unbedenklich. „De facto gibt es keine sichere Menge Alkohol. Jugendliche bzw. junge Erwachsene sollten gar keinen Alkohol trinken. Mit zunehmenden Alter kann die tolerierbare Alkoholmenge durch bestimmte molekulare Mechanismen etwas ansteigen.“ erläutert Stekovic. Dennoch könnten die möglichen positiven Effekte – etwa die Einsamkeitsbewältigung oder zum Stressabbau bei den Baby Boomern – die zellulären Konsequenzen des Alkoholgebrauchs nicht aufwiegen. „Diese Daten sind nur schwer molekularbiologisch direkt nachzuweisen. Auch die Empfehlung eines täglichen Gläschens Rotwein wird zunehmend infrage gestellt. Das ungünstige Verhältnis zwischen Kalorien- und Alkoholgehalt überwiegt laut neuerer Studien den potenziellen Nutzen des vermeintlich gesunden Resveratrols. Der antioxidative Stoff ist in einem Glas nur in geringen Mengen enthalten und wird somit kaum eine Wirkung entfalten“, berichtet der Forscher.

Nur vier Prozent Genetik: „Langes Leben liegt in unseren Händen“ 

„Ein alkoholgeprägter Lebensstil wird mit über 200 Erkrankungen in Verbindung gebracht. Im Jahr 2019 gab es weltweit etwa 2,6 Millionen alkoholbedingte Todesfälle, davon 474.00 durch Herzkreislauf-Erkrankungen.“ ergänzt der Wissenschaftler. Zu den „vier apokalyptischen Reitern“ des Alkoholkonsums zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, metabolische Störungen und Neurodegeneration.

„Die gute Nachricht vorweg: Ein langes Leben liegt in unseren Händen!“, muntert der Langlebigkeits-Experte auf. „Zu Beginn der Forschung dachte man, dass 25 Prozent der Gene Einfluss auf unsere Alterung haben. Heutzutage weiß man: Nur knapp vier bis neun Prozent unserer Genetik bestimmen den Alterungsprozess. Der Rest wird von dem Lebensstil – also unseren täglichen Entscheidungen – geprägt.“
Auch die Zahl der beteiligten Gene zeigt dies deutlich. Von etwa 20.000 Genen stehen nur rund 370 im direkten Zusammenhang mit Langlebigkeit. Darunter finden sich Gene, die den Fettstoffwechsel, das Immunsystem oder den Energiestoffwechsel regulieren.

„Der Alterungsprozess ist äußerst komplex. Viele verschiedene Prozesse laufen gleichzeitig in Zellen ab und beeinflussen sich gegenseitig. Aktuell wird die Alterung durch zwölf molekulare Kennzeichen charakterisiert. Alkohol greift in sieben davon ein. Die Folgen reichen von genetischer Instabilität, Telomerverkürzung, Darm-Dysbiose, chronischen Entzündungen, Mutationen bis zu einem dauerhaften Zellteilungsstopp (Zelluläre Seneszenz). Diese Regulationspunkte sind maßgeblich an der Alterung des Menschen beteiligt”, erklärte der Experte.

Alkoholmissbrauch: gesteigerte Angst und kognitiver Abbau

Übermäßiger Alkoholkonsum führt zu einer Störung des Methionin-Stoffwechsels, was zu einer globalen Hypomethylierung führt. Die globale Hypomethylierung beeinträchtigt lebenswichtige Zell- und Organfunktionen, erhöht das Risiko für Gefäß- und Nervenschäden und führt zu einer fortschreitenden Schädigung der Leber und anderer Organe. Diese Störung betrifft also zentrale Stoffwechselwege und hat weitreichende gesundheitliche Folgen.

Des Weiteren führen genspezifische Veränderungen im Hypothalamus zu einer gesteigerten Stressreaktion und Angst. Die synaptische Plastizität nimmt ab und das führt zu einem kognitiven Abbau wodurch die Lernfähigkeit und das Gedächtnis betroffen sind. Ebenso konnte im Zusammenhang mit Alkoholkonsum eine Unterdrückung stressregulatorischer Gene in der Amygdala beobachtet werden. Die zelluläre Stressabwehr wird geschwächt und Reparaturprozesse werden behindert. 

Auf die zellulären Effekte von gelegentlichem Genusstrinken angesprochen meinte der Experte: „Manche Studien bewerten Alkoholexzesse gravierender für unsere Gesundheit. Andere Studien gehen davon aus, dass regelmäßiges Trinken nachhaltigere Konsequenzen hat. In meiner Arbeit sehe ich, dass es letzendlich egal ist. Die Effekte von Alkohol wirken nicht nur im Moment des Trinkens, sondern hinterlassen einen nachhaltigen Effekt auf zellulärer Ebene.“ 

Der Langlebigkeitsexperte habe daher vor einigen Jahren selbst über seinen Alkoholkonsum nachgedacht, „Seitdem die Studentenzeit zu Ende ist, genieße ich nur noch selten und sehr bewusst Alkohol. Natürlich können auch die sozialen Aspekte der Geselligkeit und Freude ein langes Leben unterstützen – man sollte sich aber dennoch der Konsequenzen von Alkohol bewusst sein“.



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