Europa: Geschlechtskrankheiten nehmen zu


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Redaktion

Guter Schutz, aber wenig beliebt: Das Kondom.AdobeStock_238330073misskaterina

Plus 300 Prozent Gonorrhoe-Fälle im 10-Jahres-Vergleich und eine Verdoppelung der Syphilis-Infektionen. Vor allem bei jungen Männern steigen die Infektionszahlen alarmierend an.

Die Europäische Gesundheitsagentur ECDC schlägt Alarm: Auf dem Gebiet der Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums treten immer mehr Fälle von ansteckenden Geschlechtskrankheiten auf. Im Jahr 2023 gab es gegenüber dem Jahr davor steigende Zahlen bei Ansteckungen mit Gonorrhoe – im Volksmund auch Tripper genannt – und Syphilis. ECDC forderte mehr öffentliches Bewusstsein für das Problem.

Ein Drittel mehr Infektionen als im Vorjahr

In den EU- und EWR-Staaten sind 2023 beinahe 100.000 Fälle von Gonorrhoe registriert worden, was ein Plus von 31 Prozent gegenüber 2022 bedeutete. Im Zehn-Jahres-Vergleich (gegenüber 2014) war es gar ein Zuwachs um 300 Prozent. Bei Frauen gab es die meisten Fälle in der Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen, in dieser Gruppe war mit einem Plus von 46 Prozent auch der größte Zuwachs an Fällen gegenüber 2023 zu verzeichnen. Bei Männern betrafen die anteilsmäßig meisten Fälle die Gruppe der 25- bis 34-Jährigen.

Auch bei der Syphilis gab es mit mehr als 40.000 Fällen im Jahr 2023 in 29 EU und EWR-Staaten einen Zuwachs um 13 Prozent gegenüber 2022 und eine Verdopplung der Fälle gegenüber 2014. Syphilis ist eine Krankheit, die laut ECDC vor allem Männer betrifft: Auf sieben diagnostizierte Fälle bei Männern kommt einer bei Frauen. Auch bei dieser Krankheit ist am häufigsten die Gruppe der 25- bis 34-jährigen Männer betroffen. 72 Prozent der Fälle entfielen auf die Gruppe jener Männer, die Sex mit Männern haben. Nichtsdestotrotz seien steigende Zahlen auch bei Frauen in allen Altersgruppen registriert worden.

Spitzenreiter: Chlamydien

Die häufigste ansteckende Geschlechtskrankheit in Europa sind nach wie vor Infektionen mit Chlamydien, mit mehr als 230.000 registrierten Fällen im Jahr 2023. Auch wenn sich der Zuwachs gegenüber 2022 verlangsamt habe, so wurde doch ein Zuwachs von 14 Prozent gegenüber 2014 beobachtet. Die Infektion betrifft vor allem junge Menschen, die höchste Rate wurde unter Frauen von 20 bis 24 festgestellt.

Die ECDC wies auch darauf hin, dass die Gonorrhoe verursachenden Bakterien immer häufiger gegen Antibiotika resistent sind. Dies bedrohe die Effektivität der gängigen Behandlungsmethoden und mache die Prävention gegen die Krankheit sowie einen verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika umso wichtiger.

Risikobereitschaft wächst

Laut der Gesundheitsagentur gibt es mehrere Hypothesen für die Ursachen der Steigerungsraten bei ansteckenden Geschlechtskrankheiten. Eine erklärt das Phänomen damit, dass mehr getestet und damit auch mehr entdeckt werde. Eine andere mögliche Erklärung betreffe die höhere sexuelle Risikobereitschaft wie einen zurückgegangenen Kondomgebrauch und eine höhere Anzahl von Sexualpartnern. Dies benötige aber weitere Untersuchungen, so die ECDC.

Dieses Problem kennt auch Apotheker Mag. Manuel Wendl. Seine Johann-Strauß-Apotheke in Wien ist spezialisiert auf sexuelle Gesundheit. “Wir sehen, dass die Anzahl gleichzeitig auftretender sexuell übertragbarer Erkrankungen steigt”, erzählt der Apotheker. Er erinnert sich an den Fall eines jungen Mannes, der Sex mit einer Internetbekanntschaft gehabt hatte. Die Folge war eine Therapie gegen Syphilis, Feigwarzen und zur Sicherheit eine Post-Expositions-Prophylaxe. Wendl unterstützt die Theorie des falschen Sicherheitsdenkens: „Vielen ist nicht klar, dass eine PrEP (Anm. Prä-Expositions-Prophylaxe) nicht vor anderen STDs schützt.“

Keine Daten aus Österreich

Detail am Rande: Aus Österreich waren keine Daten verfügbar. Syphilis etwa ist keine meldepflichtige Krankheit, auch für Gonorrhoe besteht nur eine eingeschränkte Meldepflicht. Auch für Infektionen mit Chlamydien, die oft symptomlos bleiben, gibt es kein landesweites Screening-Programm.

Krankheiten wie Chlamydien, Gonorrhoe und Syphilis können unbehandelt zu schwerwiegenden Komplikationen führen, etwa zu entzündlichen Erkrankungen des Beckens oder chronischen Schmerzen. Chlamydien und Gonorrhoe können Unfruchtbarkeit verursachen, die Syphilis neurologische und kardiovaskuläre Probleme. Eine unbehandelte Syphilis-Infektion während der Schwangerschaft kann schwerwiegende Folgen für das Kind haben.

APAMED



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