Die genetische Ausstattung der Mutter kann das Gewicht der Kinder auch dann beeinflussen, wenn von ihr dafür mitverantwortliche Gene gar nicht vererbt werden. Die Väter tun das ausschließlich über direkte Vererbung. Das hat eine britische Studie gezeigt, die vor kurzem in „PLOS Genetics“ erschienen ist.
„Die Forschenden um Liam Wright vom University College London analysierten dafür Daten von über 2600 Familien aus der Millennium Cohort Study. Mithilfe genetischer Informationen von Mutter, Vater und Kind untersuchte das Team, wie stark der Body-Mass-Index (BMI) der Eltern mit dem Gewicht und der Ernährung ihrer Kinder in verschiedenen Altersstufen – nämlich im Alter von drei, fünf, sieben, elf, 14 und 17 Jahren – zusammenhängt“, schrieb dazu jetzt das Deutsche Ärzteblatt.
Analysiert wurden die Genetik, das Geburtsgewicht, die Ernährung der Kinder und der Body-Mass-Index von Eltern und Kindern. Die Ernährung der Kinder wurde anhand von Fragebögen bewertet.
Väter vererben, Mütter vererben oder bestimmen indirekt
„Während der BMI beider Elternteile mit dem BMI des Kindes korrelierte, ließ sich dieser Zusammenhang beim Vater fast vollständig durch vererbte Gene erklären. Anders bei der Mutter: Ihr BMI beeinflusste das Gewicht des Kindes auch dann, wenn genetische Vererbung herausgerechnet wurde“, fasste die deutsche Ärztezeitung die entscheidende Erkenntnis der wissenschaftlichen Untersuchung zusammen.
„Die Genetik der Mutter scheint eine wichtige Rolle bei der Beeinflussung des Gewichts ihres Kindes zu spielen, die über die Genetik des Kindes hinausgeht“, sagte dazu Liam Wright. Die Studie liefere damit neue Belege für sogenannte „Genetic-Nurture“-Effekte, bei denen die Gene der Eltern das Umfeld formen, das sie für ihre Kinder schaffen – unabhängig davon, ob diese Gene weitervererbt wurden.
„Genetic Nurture“ bedeute, so die Ärztezeitung, dass die Gene der Eltern deren Essverhalten, die körperliche Aktivität und auf der Seite der Mütter auch das Stoffwechselmilieu während der Schwangerschaft prägen. Das wirke sich dann direkt auf das Kind aus. So könne ein Kind indirekt vom mütterlichen Erbgut beeinflusst werden, selbst wenn es bestimmte genetische Varianten gar nicht geerbt hätte. Die Gene wirkten über das gelebte Verhalten der Eltern, nicht allein über das Erbgut, das ein Kind mitbekommen hat.
Indirekte genetische Effekte hoch wirksam
Die Analysen zeigten, dass indirekte genetische Effekte der Mutter mit einem Anteil zwischen 25 und 50 Prozent so stark ausfielen wie direkte genetische Einflüsse. „Beim Vater waren solche indirekten Effekte nicht nachweisbar“, schrieb das Deutsche Ärzteblatt.
Die analysierten Daten stammten aus der Millennium Cohort Study, einer repräsentativen britischen Probandengruppe. Die Untersuchung begleitet seit dem Jahr 2000 exakt 2630 Familien und ihre Kinder. Neben Gesundheits- und Sozialdaten wurden in dieser Studie auch genetische Informationen erhoben, was die Untersuchung von Vererbungseffekten ermöglicht.
Mütter trifft keine „Schuld“
Jedenfalls sollte offenbar in Zukunft dem Körpergewicht der werdenden Mütter noch größere Aufmerksamkeit gewidmet werden. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der mütterliche BMI besonders wichtig für den BMI der Nachkommen sein könnte: Assoziationen können sowohl durch direkte genetische Vererbung als auch durch indirekte (genetische) Effekte entstehen“, schrieben die Wissenschafter.
„Es geht nicht darum, Müttern die Schuld zu geben, sondern darum, Familien dabei zu unterstützen, die langfristige Gesundheit ihrer Kinder nachhaltig zu verbessern“, so Wright. „Gezielte Maßnahmen zur Senkung des BMI von Müttern, insbesondere während der Schwangerschaft, könnten die generationenübergreifenden Auswirkungen von Adipositas verringern.“
APAMED