Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass HIV-Patient:innen nach wie vor stigmatisiert werden. Gerade in diesem Bereich kann sich die Apotheke als “Safe Space” positionieren sagen Expert:innen und plädieren für mehr Toleranz.
Anlässlich des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember präsentiert Gilead Sciences Österreich aktuelle Ergebnisse einer länderübergreifenden Umfrage zu HIV. Diese zeigen, dass trotz medizinischer Fortschritte nach wie vor erhebliche Wissenslücken und Vorurteile gegenüber Menschen mit HIV bestehen.
Neue Therapien verhindern Übertragung
In Österreich leben etwa 8.000 bis 9.000 Menschen mit einer HIV-Diagnose. In der Schweiz liegt die Zahl bei rund 17.000, während in Griechenland etwa 15.000 Menschen HI-Virus-Träger:innen sind. Moderne antiretrovirale Kombinationstherapien ermöglichen, dass Menschen, die mit HIV leben, das Virus auf sexuellem Weg nicht mehr weitergeben können. Diese Botschaft, auch als U=U (Undetectable equals Untransmittable) betitelt, ist ein zentraler Bestandteil der HIV-Aufklärung. Zentral ist auch, dass HIV im Rahmen alltäglicher Kontakte wie dem Benutzen der gleichen Toilette oder auch beim Küssen nicht übertragbar ist. Doch obwohl die medikamentösen Therapie in Europa breit verfügbar ist, schockieren erst kürzlich erhobene Wissenslücken.
Jede:r Fünfte hält HIV-Infizierte für eine Gefahr
Eine Umfrage, durchgeführt in ebenjenen drei Ländern, beleuchtet die weiterhin bestehenden Vorurteile in der Gesellschaft und zeigt alarmierende Wissensdefizite auf. Diese werden beispielsweise bei den Übertragungswegen von HIV sichtbar: 7 Prozent der Österreicher:innen und 10 Prozent der Schweizer Bevölkerung glauben fälschlicherweise, dass das gemeinsame Benutzen einer Toilette zu einer HIV-Übertragung führen könnte. In Griechenland liegt dieser Wert sogar bei 41 Prozent. Im Länderdurchschnitt sind knappe 30 Prozent der Befragten der Meinung, dass ein Kuss zur Ansteckung genügt. Unter anderem führen diese Falschinformationen dazu, dass Menschen mit HIV diskriminiert werden. Das schlägt sich auch in der Befragung nieder: Im Durchschnitt würden 18 Prozent der Befragten keine Freundschaft mit einer HIV-positiven Person eingehen. 21 Prozent der Österreicher:innen halten Menschen mit HIV für eine Gefahr für die Gesellschaft.
Umdenken hinkt Entwicklung hinterher
Mag. pharm. Karin Simonitsch, Konzessionärin der Marien Apotheke in 1060 Wien, ist seit vielen Jahren auf die Betreuung von HIV-Patient:innen spezialisiert und engagiert sich auch sozial in diesem Bereich. Sie kann die Einstellung der Bevölkerung nicht verstehen: “Schockierend ist, wie sehr Menschen Krankheiten bewerten. In meinen 30 Jahren Berufserfahrung sind die Therapien unglaublich effizient und in der Einnahme einfach geworden, die Ansteckungsgefahr ist überaus gering, die negative Konnotation ist aber gleichgeblieben.” HIV wäre eine chronische Erkrankung vergleichbar mit Diabetes oder Bluthochdruck. “Die Entwicklung von guten Therapien geht schneller als das Umdenken der Gesellschaft – wann legen die Menschen endlich alte Denkmuster ab?“ wundert sich die Apothekerin.
Diskriminierung gefährdet Therapie
Die Umfrageergebnisse verdeutlichen, dass eine länderübergreifende Diskriminierung gegenüber Menschen mit HIV nach wie vor weit verbreitet ist. Die Folgen können gravierend sein. “Wir hören von Betroffenen, die sich isolieren, die ihren Status verheimlichen und manche haben dann Schwierigkeiten, die Therapie regelmäßig einzunehmen, was die Wirksamkeit der Behandlung gefährdet. Auch psychische Probleme und die Ablehnung der eigenen Diagnose können die Folge sein.”, so Mag. Andrea Brunner, Geschäftsführerin der Aids Hilfe Wien.
Safe Space Apotheke
In Umfeld dieser aufrüttelnden Zahlen kommt der Apotheke als erste Anlaufstelle für Gesundheitsfragen eine bedeutende Rolle zu. Einige Apotheken haben sich mittlerweile auf die Themen PrEp, PEP und HIV-Therapie spezialisiert. Mag. pharm. Manuel Wendl, Konzessionär der Johann-Strauß-Apotheke in Wien, sieht hier Verantwortung für seinen Berufsstand: „In Zeiten, wo Diskriminierung, Hass und Verunsicherung wieder mehr in Politik und Gesellschaft Einzug halten, ist es umso wichtiger, Orte der Sicherheit zu schaffen – sogenannte Safe-Spaces. Gerade die Apotheke vor Ort als niederschwelliger Zugang für alle Menschen gibt unseren Kund:innen Sicherheit. Nur wo der Mensch im Mittelpunkt steht, schaffen wir Vertrauen.“
APAMED