Keksteig bitte nicht roh essen!


Viktoria Gamsjäger

Symbolbild: Junges Mädchen schleckt rohen Keksteig von einem Kochlöffel. Neben ihr stehen Muffinförmchen.
Tatsächlich gelten nicht die rohen Eier im Keksteig als Gefahrenquelle, sondern spezielle E. coli Stämme bilden gefährliche Toxine.New Africa/AdobeStock_334264657

In der Weihnachtszeit steigt die Lust, beim Backen zwischendurch vom rohen Teig zu kosten. Was zunächst harmlos wirkt, kann fatale Folgen haben. Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) warnt ausdrücklich davor: Der Grund liegt nicht wie häufig angenommen im Ei, sondern vor allem im Mehl. Dieses kann krankmachende Escherichia coli-Bakterien enthalten, die erst durch das Backen abgetötet werden.

Mehl gilt als unverarbeitetes Naturprodukt und wird vor dem Verkauf nicht erhitzt. Dadurch können darin Shigatoxin-bildende Escherichia coli (STEC) überleben. Diese Keime gelangen über das Getreide selbst oder über landwirtschaftliche Kontaminationen, etwa Gülle auf dem Feld, in das Endprodukt. Auch in industriellen Fertigteigen oder Backmischungen wurden entsprechende Stämme bereits nachgewiesen.

Beim Backen werden STEC durch die hohen Temperaturen unschädlich gemacht. Deshalb gilt: Eine Gefahr besteht nur im rohen Teig, nicht im fertigen Keks.

Shigatoxin-bildende Escherichia coli

STEC sind Varianten von E. coli, die das sogenannte Shigatoxin bilden können. Sie sind auch unter dem Synonym enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC) bekannt. Dieses Toxin ist in der Lage, schwere Erkrankungen auszulösen, insbesondere bei Kindern. Es bindet an Zellmembran-Strukturen in Enterozyten, renalen Epithelzellen oder im Zentralnervensystem und führt so zum Zelltod.

Bereits 50 bis 100 Bakterien können nach Angaben der AGES ausreichen, um Infektionen zu verursachen. STEC stammen vor allem aus dem Darmtrakt von Wiederkäuern wie Rindern, Schafen, Ziegen sowie von Wildtieren wie Rehen und Hirschen. Wird Getreide auf Feldern angebaut, die mit Gülle gedüngt wurden oder durch Wildtierkontakt kontaminiert sind, können entsprechende Bakterien auf den Ähren landen und beim Mahlen in das Mehl übergehen. Es wurde auch von Mensch-zu-Mensch-Infektionen in Einrichtungen wie Kindergärten oder Altenheimen berichtet.

Symptome

Nach Aufnahme der Keime beträgt die Inkubationszeit in der Regel drei bis vier Tage, aber bis acht Tage nach dem Verzehr können die ersten Anzeichen noch auftreten. Die Symptome treten also oft erst mehrere Tage nach dem Verzehr rohen Teigs auf und so wird ein Zusammenhang häufig nicht erkannt.

Eine Infektion mit STEC beginnt meist mit unspezifischen Beschwerden wie wässrigen Durchfällen, Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Nach einigen Tagen kann sich der Verlauf verschlimmern und die Durchfälle blutig werden, was ein typisches Zeichen für eine schwerere Erkrankung ist. Besonders gefürchtet ist das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS), das bei etwa 5 bis 10 Prozent der Betroffenen einige Tage nach Beginn der Durchfälle auftreten kann.

Da bereits sehr geringe Keimmengen ausreichen, um eine Erkrankung zu verursachen, stellt der Verzehr roher, nicht erhitzter Teige ein relevantes Risiko dar. Die Situation in Österreich spiegelt diese Bedeutung wider: Im Jahr 2024 wurden insgesamt 853 laborbestätigte STEC-Infektionen gemeldet, und bei 13 Patientinnen und Patienten kam es zu der schweren Komplikation HUS.

Hämolytisch-urämischen Syndrom

Seit 1982 ist bekannt, dass STEC-Infektionen nicht nur Durchfallerkrankungen auslösen können, sondern auch das potenziell lebensbedrohliche hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) verursachen. Besonders betroffen sind hierbei Kleinkinder. 

Die Erkrankung entsteht, weil die von den Bakterien gebildeten Shigatoxine an spezifische Rezeptoren der Endothelzellen binden, insbesondere an das Membranlipid Globotriaosylceramid (Gb3) in den Nierenkörperchen. Diese Bindung löst eine Signalkaskade aus, die letztlich zum programmierten Zelltod der Endothelzellen führt. Durch die Zerstörung der Gefäßinnenhaut werden subendotheliale Strukturen freigelegt, die die Gerinnung aktivieren. In der Folge bilden sich Mikrothromben, die Blutgefäße verstopfen und die roten Blutkörperchen mechanisch zerstören. Die so entstehenden Thrombosen beeinträchtigen insbesondere die Blutversorgung der Nieren, was zu einer verminderten Harnproduktion, dem Anstieg harnpflichtiger Substanzen und weiteren Organbeeinträchtigungen führt. Ein akutes Nierenversagen ist die Folge. Gleichzeitig kommt es zu Blutarmut und einer verringerten Zahl an Blutplättchen. Obwohl die wesentlichen Abläufe beschrieben sind, ist der pathogenetische Mechanismus bis heute (2025) nicht vollständig aufgeklärt.

Der Einsatz von Antibiotika wird bei STEC-Infektionen in der Regel nicht empfohlen, da unter ihrer Wirkung die Toxinproduktion der Bakterien zunehmen kann und dadurch das Risiko schwerer Komplikationen steigt. Besonders für die Gabe von Cotrimoxazol und Ciprofloxacin konnte eine gesteigerte Toxinproduktion beobachtet werden. Vorrangig besteht die Behandlung daher im Ausgleich von Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten. Kommt es zu einem schweren Verlauf, etwa bei Entwicklung eines HUS, ist eine intensivmedizinische Betreuung erforderlich, die auch Verfahren wie die Dialyse einschließen kann.

Lebensmittelproben

Im Jahr 2024 wurden in Österreich rund 1.100 Lebensmittelproben auf das Vorkommen von STEC untersucht. Der Großteil entfiel mit etwa 850 Proben auf Fleisch und fleischhaltige Erzeugnisse, während ungefähr 250 Proben aus pflanzlichen oder sonstigen nicht-tierischen Lebensmitteln stammten. Insgesamt konnten in 30 dieser Proben STEC nachgewiesen werden, darunter achtmal in frischem Wildbret. Betrachtet man ausschließlich rohe Fleischproben, zeigte sich in 15 von 181 Proben ein positiver Befund; besonders häufig stammten die Erreger aus Wildtierfleisch (8 von 79 Proben), während in zwei Proben frischen Rindfleisches (n = 59) ebenfalls STEC identifiziert wurden. Im Milchbereich waren nur zwei von insgesamt 118 untersuchten Käsesorten positiv, alle übrigen Milchprodukte erwiesen sich als frei von STEC. Zusätzlich konnten sechs verschiedene STEC-Stämme in Backmischungen, Fertigteigen und Mehl (n = 146) isoliert werden.

Gerade der Nachweis in Mehl und Fertigteigen verdeutlicht, warum ungebackener Teig nicht verzehrt werden sollte: Da diese Produkte vor dem Backprozess nicht erhitzt werden, können darin enthaltene Keime überleben und beim Naschen direkt aufgenommen werden. Erst die Backhitze macht das Endprodukt sicher. Der Genuss sollte daher immer erst nach dem Backen erfolgen.



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