Skurriler Internettrend: Jodgitter gegen Husten


Viktoria Gamsjäger

Auf der Handinnenfläche wird mit einem Wattestäbchen ein Gitter mit brauner Flüssigkeit gezeichnet.
Mittels Jodlösung wird eine Gitterform auf die Haut aufgezeichnet. Diese soll gegen Schmerzen oder Husten helfen.Pixel-Shot/AdobeStock_1393555462

Seit einiger Zeit kursiert in sozialen Medien und Internet-Blogs das sogenannte Jodgitter, auch Jodnetz genannt. Dabei handelt es sich um ein mithilfe von Jodsalbe oder Lugol´scher Lösung aufgemaltes Gitternetz, das den Körper bei seiner Heilung unterstützen soll. Das an der entsprechenden Stelle angebrachte Muster soll verschiedenste Beschwerden wie Halsschmerzen, Erkältungen oder Gelenksentzündungen lindern –mitunter sogar Husten in der Schwangerschaft. Eine bedenkliche Empfehlung, die allergische Reaktionen hervorrufen und sich negativ auf die Schilddrüsen-funktion von Mutter und Kind auswirken kann.

Um ein heilendes Jodgitter, auch Jodnetz genannt, zu erzeugen, wird mit Jodsalbe oder Lugol´schen Lösung ein Gittermuster auf die zu behandelnde Hautstelle aufgetragen. Bei der Lugol´schen Lösung handelt es sich um eine bräunlich-wässrige Lösung aus Kaliumjodid und elementarem Jod. 

Laut einschlägigen Foren sollten die horizontalen und vertikalen Linien so auf die Haut gemalt werden, dass die Kästchen etwa einen Zentimeter groß sind. Dann könne „das Jod die Haut durchdringen und dort die Faltung von Bakterienproteinen beeinträchtigen“. Durch eine anschließende „Koagulation lösen sich Zellen voneinander ab, und das Bakterium verstirbt“. Zusätzlich soll die Gitterform bestimmte Akupunkturpunkte ansprechen. So würde dann ein Jodgitter im Halsbereich gegen Halsschmerzen oder am Brustkorb gegen einen trockenen Husten helfen, indem es den Entzündungsprozess lokalisiert.

Im Internet finden sich auch Anleitungen für einen fragwürdigen Selbsttest zur Identifizierung von Jod-Mangel. Demnach soll ein verblasstes Jodgitter zwölf Stunden nach dem Auftragen auf eine Unterversorgung hinweisen. 

Gefährliche Empfehlung zur innerlichen Anwendung

Auch die „Empfehlung“, die Lugol’sche Lösung innerlich anzuwenden, ist im Internet weit verbreitet. Sie soll als natürlicher Ersatz für Jod-Supplemente dienen. In einschlägigen Foren wird der Hochdosis-Jodtherapie mitunter – fälschlicherweise – sogar ein zusätzlicher gesundheitlicher Nutzen zugeschrieben.

Aufgrund der vermehrt aufkommenden Beiträge zu diesem Thema warnen die Expert:innen des „Arbeitskreis Jodmangel“ explizit vor einer eigenmächtigen oralen Einnahme und stellen klar: „Hohe Dosen Jod bringen keinen gesundheitlichen Vorteil. Eine starke Überdosierung kann im Gegenteil sogar zu einer massiven Funktionsstörung der Schilddrüse führen. Auch eine Beeinflussung der Schilddrüsenhormonsynthese ist möglich.“

Zudem betonen sie: „Die Lugol’sche Lösung ist weder als Nahrungsergänzung noch als Medikament zugelassen. Sie ist ausschließlich zur äußeren Anwendung als Antiseptikum oder Desinfektionsmittel bestimmt. Und das ebenfalls nur in Ausnahmefällen, da Jod auch über die Haut aufgenommen werden kann.“

Früher wurde die Lugol’sche Lösung Patient:innen mit Schilddrüsen-überfunktion vor Operationen verabreicht, um kurzfristig die Hormon-freisetzung zu hemmen. So sollten Komplikationen wie eine gefährliche thyreotoxische Krise während des Eingriffs vermieden werden. Hier wurden Jod-Dosen im Milligrammbereich verabreicht. Nicht, wie bei der üblichen Jodaufnahme über Nahrung oder Supplemente, im Mikrogrammbereich.

Keine Evidenz, großes Risiko

Was harmlos aussieht, kann jedoch riskant werden: Bei Patient:innen mit bestehenden Schilddrüsenproblemen – etwa einer autoimmunbedingten Hashimoto-Thyreoiditis – kann die Einnahme hoher Joddosen schwerwiegende Konsequenzen haben. Eine unkontrollierte Hochdosisgabe kann etwa in einer manifesten Überfunktion (Hyperthyreose) münden.

Die topische Anwendung von Jod ist medizinisch gut etabliert, etwa in Form von Povidon-Jod zur Desinfektion infizierter Wunden oder als Antiseptikum vor Operationen. Doch selbst äußerlich angewendetes Jod kann unter bestimmten Umständen systemisch aufgenommen werden und die Schilddrüsenfunktion beeinflussen. Nebenwirkungen wie allergische Reaktionen oder Kontaktdermatitis sind möglich. Bei längerer Anwendung kann es zudem zu lokalen Beschwerden wie Brennen oder einem Wärmegefühl auf der Haut kommen.

Ob als Desinfiziens oder zur oralen Einnahme: Jod sollte bei Personen mit Schilddrüsenerkrankungen nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung und nach ärztlicher Absprache angewendet werden.  Bei Kindern unter einem Jahr sowie während der Schwangerschaft und Stillzeit ist besondere Vorsicht geboten. Jod kann in die Muttermilch übergehen und beim Kind eine Schilddrüsenunterfunktion auslösen. Die Anwendung eines Jodgitters erfolgt nicht nur „off-label“, sondern entbehrt auch jeglicher klinischen Evidenz. 



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