In einem Verfahren stand die österreichische +pharma arzneimittel GmbH (Graz) einer spanischen Wettbewerberin, PlusQuam Pharma, SL, gegenüber. Streitpunkt war die Eintragung einer Unionsbildmarke mit dem Zeichenbestandteil „PlusQuam +PHARMA“ für kosmetische und pharmazeutische Produkte.
Die österreichische Klägerin ist Inhaberin der älteren nationalen Wortmarke „+PHARMA“, eingetragen für verschiedene Waren der Klasse 5 (pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, diätetische Erzeugnisse, Babykost, Desinfektionsmittel, Verbandmaterial etc.).
Die +phrama legte daher Widerspruch gegen die Eintragung der Marke bei der EUIPO ein. Die Widerspruchsabteilung des EUIPO ist jene Stelle innerhalb des Europäischen Amts für geistiges Eigentum, die darüber entscheidet, ob eine neu angemeldete Marke aufgrund eines Widerspruchs älterer Markeninhaber eingetragen werden darf oder nicht.
Die zentrale Frage war also:
Darf die Unionsbildmarke „PlusQuam +PHARMA“ eingetragen werden oder besteht eine Verwechslungsgefahr bzw. wird die Wertschätzung von „+PHARMA“ unlauter ausgenutzt?
Im Mai 2024 wies die Widerspruchsabteilung des EUIPO den Widerspruch ab. Ihre Begründung: Es bestehe keine Verwechslungsgefahr und die Voraussetzungen für einen Schutz aufgrund Bekanntheit der älteren Marke seien nicht erfüllt. Daraufhin klagte die +pharma vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG).
Timeline
- Juli 2022: PlusQuam Pharma meldet eine Unionsbildmarke (PlusQuam +PHARMA) für Waren der Klassen 3 und 5 an.
- Oktober 2022: +pharma arzneimittel GmbH legt Widerspruch gegen die Eintragung ein.
- Grund: Verwechslungsgefahr und Schutz bekannter Marken
- Das EUIPO verlangt einen Benutzungsnachweis der älteren Marke.
- Mai 2024: Die Widerspruchsabteilung der EUIPO weist den Widerspruch vollständig zurück:
- Begründung: keine Verwechslungsgefahr
- Juni 2024: +pharma legt Beschwerde beim EUIPO ein.
- Die Zweite Beschwerdekammer des EUIPO bestätigt die Zurückweisung:
- „+PHARMA“ sei nur schwach kennzeichnungskräftig, eine erhöhte Kennzeichnungskraft durch Benutzung sei nicht nachgewiesen, die Marke sei nicht bekannt
- +pharma erhebt daraufhin Klage vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG)
Erster Klagegrund: Verwechslungsgefahr
Die Klage der österreichischen +pharma stützte sich im ersten Klagegrund auf die Verwechslungsgefahr der Unionsmarkenverordnung. Im Zentrum stand die Frage, ob die angemeldete Bildmarke PlusQuam +PHARMA wegen ihrer Ähnlichkeit zur älteren Marke +PHARMA beim Publikum den Eindruck erwecken könnte, dass die jeweiligen pharmazeutischen Produkte aus demselben Unternehmen oder zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Die Klägerin argumentierte, dass die Beschwerdekammer fehlerhaft die durch Benutzung erhöhte Kennzeichnungskraft ihrer Marke ignoriert hatte, was für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr entscheidend gewesen wäre.
Zweiter Klagegrund: Ausnutzung einer bekannten Marke
Die Klägerin ist der Meinung, dass ihre ältere Marke (+PHARMA) in Österreich sehr bekannt ist, da sie bei häufig verkauften Arzneimitteln zum Teil fast 19 Prozent Marktanteil erreicht hat. Weil die angemeldete Marke (PlusQuam +PHARMA) der älteren Marke sehr ähnlich ist, hält es die Klägerin für unzweifelhaft, dass die Verbraucher die neue Marke automatisch mit der Klägerin in Verbindung bringen werden. Die Klägerin wirft dem Anmelder vor, er wolle bewusst die gute Reputation und den Ruf (die Sogwirkung) der älteren, bekannten Marke ausnutzen, ohne dafür einen guten Grund nennen zu können. Nach Ansicht der Klägerin sind damit die strengeren Voraussetzungen des Markengesetzes erfüllt, die bekannte Marken auch dann schützen, wenn die Waren nicht identisch sind.
EuGH-Urteil
Im Urteil des EuGH heißt es: Die Beschwerdekammer hatte die Beweismittel (Werbeanzeigen, Direktwerbung, Verpackungen) weitgehend unberücksichtigt gelassen, da sie der Ansicht war, die Hinzufügung von Elementen (z. B. Wirkstoffnamen, Farben, grafische Stilisierungen, Kreise) habe die originäre Kennzeichnungskraft der eingetragenen Marke verändert. Insbesondere das Fachpublikum (Ärzt:innen und Apotheker:innen) würde die Marke +PHARMA neben dem Wirkstoff als Herkunftsangabe der pharmazeutischen Erzeugnisse erkennen.
Da die Beweismittel relevant sind und eine erhöhte Kennzeichnungskraft den Schutzbereich der Marke vergrößert, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdekammer bei richtiger Würdigung zur Verwechslungsgefahr gekommen wäre, erklärt das Urteil. Der Hauptfehler der Beschwerdekammer lag in der fehlerhaften Würdigung der von der Klägerin vorgelegten Benutzungsnachweise, heißt es weiter in dem Urteil.
Aufhebung und Rückverweisung
Das Gericht hebt die angefochtene Entscheidung auf und die Sache wird daher an die Beschwerdekammer zurückverwiesen, die nun eine Gesamtwürdigung aller relevanten Beweismittel vornehmen muss, um erstmals zu beurteilen, ob die ältere Marke eine durch Benutzung erhöhte Kennzeichnungskraft erlangt hat.
Das Ergebnis vor dem EuG: Die Entscheidung der Beschwerdekammer wurde mit November 2025 aufgehoben. Die Angelegenheit muss vom EUIPO neu beurteilt werden.
