P.Tag in Tirol: Empathie und Distanz


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Viktoria Gamsjäger

Sabine Hübner auf der Bühne der P.Tage. Hinter ihr ist eine Präsentation mit zwei herzförmigen Spiegeleiern und dem Wort "Empathie".
Sabine Hübner spricht bei den P.Tagen über ein Herzensthema: Empathie.TARA24

Auch beim dritten Event in Hall in Tirol bringt Sabine Hübner den Apothekenmitarbeiter:innen das Thema „Service in der Apotheke“ näher. Das Thema Empathie liegt ihr besonders am Herzen und sie hat Folgendes dazu zu sagen: „Empathie macht uns Menschen einzigartig. Jede Begegnung ist eine neue Chance, sich in die andere Person hineinzufühlen.“ Wie empathisches Handeln die tägliche Arbeit in der Apotheke erleichtern kann und warum die richtige Distanz genauso wichtig ist, erklärt sie in ihrem Vortrag.

„Empathie ist kein Fastfood“

„Nahezu jeder kann sie erlernen“, erklärt Sabine Hübner zu Beginn ihres Vortrags. Sie beschreibt sie als die Fähigkeit, sich spontan in eine Person hineinzuversetzen und nachzuvollziehen, was diese durchmacht. „Eine Stufe weiter geht es, wenn man sich hineinversetzt und wirklich nachfühlt, was diese Person gerade empfindet“, erläutert sie weiter.

„Empathie ist kein Fastfood“, sie muss erlernt werden, und es braucht Zeit, sich in eine Person hineinzuversetzen. Jedoch ist „jede neue Begegnung eine neue Chance, Empathie zu erlernen und das Fingerspitzengefühl zu entwickeln.“

„Empathie hilft dem, der empathisch ist. Sie hilft also dem Mitarbeiter in der Apotheke. Gespräche dauern oft kürzer und verlaufen angenehmer, denn das Gegenüber hat ein gutes Gefühl.“

Vier Stufen der Empathie

Hübner berichtet von den vier Stufen der Empathie: Konzentration, Wahrnehmung, Kreativität und Mut.

Konzentration

„Ohne Konzentration existiert keine Empathie“, erklärt sie. Jedoch nehme die Konzentrationsfähigkeit in der heutigen Zeit immer mehr ab. „Einfache Maßnahmen wie die korrekte Anordnung von Tara-Bildschirmen in der Apotheke können schon die Konzentration der Mitarbeiter:innen erhöhen. Magische Momente der Konzentration können auch bei einfachen Tätigkeiten wie dem Auffüllen von Regalen entstehen.“

Hübner rät, sich den Satz „Tür auf, Kopf hoch“ zu Herzen zu nehmen, denn so fühlen sich Menschen beachtet, wenn sie die Apotheke betreten. Gerade deswegen seien Apotheken so wertvoll, berichtet Hübner: „Hier ist man mit dem Kunden oder der Kundin auf Augenhöhe. Meiner Meinung nach ist man sich viel näher als bei einem Arztgespräch.“ Dies wiederum ist ein guter Start für den zweiten Schritt: die Wahrnehmung.

Wahrnehmung

„Wahrnehmung ist eine Frage des persönlichen Lebensstils, nicht des Alters“, klärt die Expertin auf. „Je größer der Erlebnisschatz einer Person, desto besser kann sie andere Menschen nachvollziehen“, führt sie weiter aus.
„Ein echter Dialog fordert eine hohe Wahrnehmungsfähigkeit. Oft filtere ich bei Gesprächen durch meine Erfahrungen und höre gar nicht mehr wirklich zu.“ Ebenso müsse man mit dem Gesagten nicht einverstanden sein, nur müsse man versuchen, es zu verstehen, betont sie.

Essentiell sei es, die eigenen „ungeprüften Vorannahmen“ zu hinterfragen, zeigt Hübner auf. Diese Vorannahmen werden – wie der Name schon sagt – nicht geprüft und verstellen unsere Wahrnehmung. „Immer wenn Sie sich denken: ‚Das kann ich, das weiß ich, diese Situation habe ich schon einmal erlebt‘, sollten Sie vorsichtig werden. Es kann ganz anders kommen – und im schlimmsten Fall fühlt sich die Kundin oder der Kunde dann sehr unwohl.“

Als Beispiel bringt sie ein Einkaufserlebnis für ihre Transalpin-Fahrradtour: Eigentlich hatte sie eine entspannte Ausfahrt mit ihren Freundinnen geplant, aber der Verkäufer im Fahrradgeschäft unterstellte ihr, ohne seine Annahmen zu prüfen, eine kräftezehrende Tour mit Zelt und Gepäck. „Mir war es dann zu peinlich zuzugeben, dass ich in einem Hotel schlafe, daher habe ich nicht einmal die vorgeschlagenen Socken gekauft und mich schnell verabschiedet.“

Kreativität

„Kreativität entsteht im Freiraum, nicht in festgelegten Prozessen“, beginnt Hübner. Sie sieht Service eher als eine „sechsspurige Autobahn“: „Alle fahren in die gleiche Richtung, aber jeder und jede hat genug Freiraum für Entscheidungen.“

An die Chefs appelliert sie daher: „Stecken Sie die Grenzen Ihrer Mitarbeiter:innen klar ab. Häufig kennen sie diese gar nicht und handeln daher eher zu vorsichtig, anstatt den vorhandenen Spielraum zu nutzen.“
So lassen sich echte „Menschmomente“ kreieren, und Kunden fühlen sich gut verstanden. „Freiraum bedeutet auch, Dinge auszuprobieren“, ermutigt die Expertin. „Kunden brauchen Zeit, sich an neue Situationen zu gewöhnen. Wenn Sie also einen Entschluss fassen, verwerfen Sie ihn nicht gleich, nur weil es nicht sofort funktioniert.“

Mut

Empathie braucht eine Handlung, sonst ist sie wertlos“, stellt Hübner fest. Mut „ist eine Frage der Komfortzone“, erläutert sie weiter. „Stellen Sie sich die Frage: ‚Was ist das Schlimmste, das passieren kann?‘ Sind keine gravierenden Konsequenzen zu befürchten, dann probieren Sie es einfach aus!“

Zusammenspiel aus Distanz und Nähe

Richtig verstandene Empathie ist laut Hübner das ausgewogene Zusammenspiel aus Nähe und Distanz.

„Empathie ist wichtig, damit sich der Kunde verstanden fühlt, aber eine gewisse Distanz ist notwendig für professionelle Entscheidungen. Sie wollen auch keinen empathischen Arzt während einer Operation. Er soll neutral und konzentriert arbeiten und nicht auf Ihre Gefühle achten. Beim Gespräch mit den Angehörigen hingegen ist Einfühlungsvermögen gefragt.“

Nach Hübners Einschätzung müssen manche Menschen zunächst lernen, Nähe zuzulassen, in Gesundheitsberufen hingegen gelte es häufiger, die richtige Distanz zu entwickeln.

„Das richtige Zusammenspiel kann man trainieren. Hierbei ist es notwendig, eine Art „Reset-Knopf“ zu finden. Das kann für jeden etwas anderes sein. Beispielsweise kann man nach einem herausfordernden Gespräch einmal um den Schreibtisch gehen, um sich so ‚neu zu starten‘.“

Wichtig ist laut Hübner gerade in der Apothekenpraxis zu erkennen, dass man eine Kombination aus Nähe, also dem Verstehen einer Person, und Distanz braucht, um sachlich und gleichzeitig empathisch gute Entscheidungen treffen zu können.



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