Die Österreichische Ärztekammer wünscht sich eine Änderung des Apothekengesetzes, damit in Hausarztordinationen mehr Abgabestellen für Medikamente eingerichtet werden dürfen. Würde dieser Forderung nachgegeben, sei man auch bereit, über einen Abtausch zu sprechen – konkret über das Impfen in Apotheken.
„Was die Vertreter:innen der Ärzteschaft hier machen, ist ein unwürdiges Schauspiel. Wenn wir über gesundheitspolitische Maßnahmen sprechen, muss ihre Versorgungswirksamkeit im Vordergrund stehen und nicht die Frage, ob sie als Faustpfand in politischen Verhandlungen dienen können“, kritisiert Mag. pharm. Andreas Hoyer, 1. Vizepräsident des Österreichischen Apothekerverbands, das Ansinnen der Ärztekammer, rechtliche Änderungen im Apothekengesetz gegen das Impfen in öffentlichen Apotheken abzutauschen.
„Wir setzen uns seit Jahren dafür ein, dass wir Apotheker:innen impfen dürfen. Und zwar weil es klare Evidenz für die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens gibt. Internationale Beispiele zeigen, dass die Durchimpfungsraten steigen, wenn Impfungen auch in Apotheken angeboten werden. Man erschließt damit Zielgruppen, die sonst nicht erreichbar sind. Das bedeutet auch, dass den Ärzt:innen nichts weggenommen wird – das zeigt etwa das Beispiel Irland. Dort wird seit 2011 in Apotheken z. B. gegen Grippe geimpft – seither ist die Impfquote um 60 Prozent gestiegen, auch in den Arztpraxen wo 27 Prozent mehr Grippeimpfungen abgegeben wurden“, erklärt Mag. pharm. Dr. med. Alexander Hartl, 2. Vizepräsident des Österreichischen Apothekerverbands.
2.500 Pharmazeut:innen können ab morgen impfen
Mehr als 2.500 intensiv ausgebildete Apothekerinnen und Apotheker könnten quasi morgen Auffrischungsimpfungen gegen Influenza, COVID-19 oder FSME anbieten, wenn der Gesetzgeber die Basis dafür schafft. „Die Kompetenz der Apothekerschaft beim Impfen steht außer Zweifel, das hat auch die Ärztekammer zuletzt bekundet. Diese späte Einsicht nehmen wir positiv zur Kenntnis. Besser spät als nie. Allerdings ist das Impfen in der Apotheke kein Eintauschobjekt gegen die von der Ärztekammer geforderte Direktabgabe von Medikamenten in Ordinationen. Die Gesundheitspolitik ist kein Basar“, stellt Gerhard Kobinger, Vizepräsident der Apothekerkammer, klar.
Die Ärztekammer begründet ihre Forderung nach diesem so genannten ärztlichen Dispensierrecht mit dem Argument, die Arzneimittelversorgung in Österreich sei gefährdet. „Das ist nicht der Fall. Faktum ist: Es gibt im Land kein Problem mit der Versorgung von Arzneimitteln – sofern die Hersteller ihren Lieferverpflichtungen nachkommen. Es gibt dagegen aber sehr wohl in Österreich ein erhebliches Problem bei der Durchimpfungsrate“, betont Kobinger. Zusatz: „Arzneimittel gehören ausschließlich in die Apotheke, alles andere verbessert nicht die Versorgung, sondern gefährdet die Gesundheit.“ Aus demselben Grund sei auch die Forderung einzelner, die Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel bei Nahversorgern einzuführen, strikt abzulehnen.
Klare Absage: Kein Tauschhandel
„Wir stehen jederzeit als konstruktiver Partner zur Verfügung, wenn es darum geht, die Gesundheitsversorgung in unserem Land voranzubringen. Dafür liefern wir evidenzbasierte Lösungsansätze, die einen Beitrag zur Verbesserung unseres Systems leisten. Das erwarten wir auch von anderen Standesvertretungen. Wo die Evidenz für die Versorgungswirksamkeit der Dispensierfreiheit für Ärzt:innen ist, bleibt die Ärztevertretung ebenso schuldig, wie Nachweise zum gesundheitlichen Nutzen von Notabgabestellen für Medikamente. Wir bringen uns bei der Entwicklung ernstgemeinter Lösungen gerne ein – der Logik, ihr bekommt A, wenn wir B bekommen, erteilen wir aber eine klare Absage. Dafür ist die Situation zu ernst, wenn nicht einmal jede:r fünfte Österreicher:in gegen Grippe geimpft ist und Masern und Keuchhusten ein besorgniserregendes Comeback feiern“, stellt Hoyer abschließend klar.
Telemedizin ist zukunftsweisend
Sehr viel wichtiger wären Gespräche zwischen Apothekerkammer, den Spitzen der Gesundheitspolitik, der Sozialversicherung und der Ärztekammer über konstruktive Maßnahmen im Bereich der Prävention und der Verbesserung der Versorgung in strukturschwachen Regionen durch telemedizinische Angebote.
„Unsere Angebote dazu liegen auf dem Tisch: Vom Vorschlag eines bundesweiten persönlichen Präventionskontos, über spezielle Dienstleistungen für Personen, die viele Medikamente einnehmen, bis hin zur assistierten Telemedizin in Apotheken zur Entlastung der Ambulanzen. Denn klar ist: Die Versorgung der Zukunft muss alle Gesundheitsberufe effizienter einbinden und auch digitaler gedacht werden“, ist Apothekerkammer-Vizepräsident Raimund Podroschko überzeugt.
Medikationsanalyse als win-win-Beispiel
Ein Beispiel für eine äußerst effektive, aber von der Sozialversicherung noch nicht finanzierte Dienstleistung in der Apotheke ist die Medikationsanalyse. Dazu Podroschko: „Rund 500.000 Menschen in Österreich nehmen täglich acht oder mehr Arzneimittel ein. Studien zeigen, dass bereits nach einem einzigen strukturierten Gespräch mit Apothekerinnen und Apothekern die arzneimittelbezogenen Probleme dieser Personen um 70 Prozent reduziert werden können. Gleichzeitig werden Folgebehandlungen und Folgekosten vermieden. Genau mit solchen Gesundheitsangeboten verbessern wir die Versorgung der Menschen und schonen gleichzeitig das Budget der Krankenkassen.“
OTS