Homosexuelle Männer: Die unterschätzte Kundengruppe


Astrid Janovsky

Zwei junge Männer liegen nackt im Bett. Sie umarmen sich liebevoll, lächeln leicht und haben die Stirn aneinander gelegt.
Männer, die Männer lieben, haben gerade bei der Sexualität besondere Bedürfnisse. Hier kann die Apotheke ihre Kompetenz zeigen.Lomb/AdobeStock_509550941

Die Apotheke als Ort für alle: Manchmal ein Lippenbekenntnis, manchmal gelebte Praxis und manchmal irgendwas dazwischen. Dabei muss sich eine Apotheke nicht zwingend auf Gendermedizin spezialisieren, um ein attraktiver (Einkaufs)Platz für alle Orientierungen zu werden. Man kann die Offenheit auch in der Offizin sichtbar machen. Ein Unterfangen, das bei vielen Kund:innen gute ankommt – aber nicht bei allen.

Eigentlich findet er es schade, dass man sich nur im „Pride-Month“ so intensiv mit dem Thema Homosexualität und Vielfalt beschäftigt. Dominik Kleeberg, Gründer und CEO von Provivamed, kennt nicht nur die Apotheken des Landes aus seiner langjährigen Außendienst-Erfahrung, sondern auch die Bedürfnisse von Randgruppen: „Ich gehöre zur LGBTQ+ Community, und für uns ist das Liebesleben oft etwas komplexer als nur ein schönes Abendessen, ein Kinobesuch, ein Cocktail und dann ab ins Bett. Bei uns gehört auch die Intimhygiene dazu – manchmal aufwändig geplant und vorbereitet. Das ist nicht immer einfach.“ Gute Nahrungsergänzungsmittel zu finden, die genau auf die Bedürfnisse von schwulen Männern abgestimmt sind, sei schwierig. Eine Marktlücke in den österreichischen Apotheken.

Steigendes Interesse an dem Thema

Das Unterfangen, Produkte für die queere Kundschaft in die Offizin zu bringen, bezeichnet Kleeberg selbst als „herausfordernd“. Dennoch bemerkt er ein steigendes Interesse an dem Thema an sich in der Apothekerschaft. „Viele Apotheken zeigen der Community, dass sie uns willkommen heißen – und das ist im Jahr 2025 leider noch immer keine Selbstverständlichkeit“, stellt der Unternehmer fest. „Ich warte immer noch auf klare Zeichen von den Apothekerkammern oder vom Gesundheitsbereich, dass sie sich beim Pride Month oder allgemein für unsere Belange engagieren.“

Es gibt bereits einige Apotheken in Österreich, die sich sichtbar in der Offizin zur Vielfalt bekennen und das auch im Produktangebot widerspiegeln. Eine davon ist die Apotheke Atrium von Chrysanth Ebner in Innsbruck. „Eigentlich wollte ich das Thema queere Liebe nicht so groß thematisieren, aber nachdem die Akzeptanz und vor allem die Selbstverständlichkeit dafür im 21. Jahrhundert offenbar so weit entfernt liegen, war es mir doch ein Bedürfnis, dieses Thema in der Apo ansprechen“, so der Apotheker (der selbst nicht der Community angehört, aber viele Bekannte aus dem Umfeld hat). „Ich will hier keine direkte Positionierung oder Marketingmasche machen. Es geht mir vielmehr um eine selbstverständliche Gleichheit. Egal welche Orientierung oder Ausprägung Liebe dabei hat. Wenn man dazu plakativ beziehungsweise demonstrativ zeigen muss ´ja, wir sind auch für Männer da, die Männer lieben` und Regenbogenfahnen und Regenbogensymbole im Juni tragen und aufkleben muss, dann hoffe ich, es trägt zu mehr Akzeptanz und Gleichheit bei.“

Safe Space Apotheke

Auch für Kleeberg ist die Etablierung schwuler Männer als Kundengruppe in der Apotheke ein harter Weg. „Ich bin ehrlich: Es braucht Geduld, bis die Produkte in der Apotheke sichtbar sind. Wo platziere ich sie am besten? Im Pride Month ist es leicht, aber die anderen elf Monate? Ein offenes, freundliches Team in der Apotheke ist entscheidend. Es gibt keinen perfekten Platz, aber ein offenes Ohr und Akzeptanz sind das Wichtigste.“ Kleeberg unterstützt Interessierte mit all seinen Möglichkeiten: „Als Teil der Community berate ich gerne Apotheken, gebe Tipps, wie sie die Community ansprechen können, und stelle mein Netzwerk zur Verfügung.“

In der Johann-Strauß Apotheke in Wien wird gerade das Projekt „Safe Space Apotheke“ ausgebaut. Für Kleeberg ist das eine ganz wichtige Rolle der Apotheken in diesem Land: „Als Teenager hätte ich mir gewünscht, eine Apotheke in meiner Nähe zu haben, die offen für alle ist. Mittlerweile ist die Apotheke vor Ort für mich wie ein zweites Zuhause. Ich möchte mich dort wohlfühlen – egal welche Sexualität, Hautfarbe, Herkunft oder Alter. Oft wird gesagt, dass die Apotheke teuer ist, doch eigentlich zählt die Beratung, die sofortige Verfügbarkeit und das offene Miteinander.“

Zeichen der Apothekerkammer gewünscht

Das ist auch die Intention von Ebner in seiner Apotheke Atrium: „Ich spüre und erfahre von vielen, dass diese Thematik in der Apotheke oft untergeht und bekomme viele freundliche ´Daumen hoch` und positive Rückmeldungen.“ Manchmal muss er aber auch mit Gegenwind fertig werden. „Natürlich gibt es auch die „Queer-Washing-Rufe“ und Kommentare, wieso man dieses Thema so groß präsentieren muss – nach dem Motto: ´Weiß doch eh jeder und kann man schon nicht mehr hören`“, berichtet der Apotheker. Trotzdem lässt er sich davon nicht entmutigen: „Das Thema Gleichheit wird bei uns in der Apotheke generell täglich mit Freundlichkeit, Kompetenz und Akzeptanz gelebt. Im Monat Juni wollen wir noch einmal verstärkt darauf hinweisen.“ Dabei findet sich das Thema „Integration“ nicht nur im Produktsortiment für Homosexuelle, sondern auch in weiter gefassten Thematiken, wie etwa einer Pflasterserie für unterschiedliche Hautfarben.

Für Kleeberg ist klar: Auch wenn der Weg hart ist – er will ihn weitergehen. „Für mich ist das hier auch ein persönliches Coming-out – in der gesamten Apothekenwelt. Viele wissen nicht, dass ich zur LGBTQ+ Community gehöre. Manchmal fürchte ich, abgelehnt zu werden, wenn ich offen bin. Dabei wünsche ich mir, dass die Apothekerkammer mehr sichtbar macht, dass wir dazugehören, dass wir Teil dieser Gesellschaft sind.“ Und nicht zuletzt eine Kundengruppe mit speziellen Gesundheitsbedürfnissen, die durchaus offen ist für qualifizierte Beratung und hochwertige Produkte. Den Apotheken rät er – als Geschäftspartner wie auch als Zielgruppe: „Es sollte normal sein, dass jede Apotheke für alle Menschen da ist. Ihr dürft dies gerne zeigen, jedoch bitte nicht übertrieben oder kitschig.“



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