Sie sind im Außendienst unterwegs, Schulungsleiter oder Tätowiererin geworden. Eine Umorientierung trotz Fachkräftemangel, der auch in den Apotheken zu spüren ist. Doch aus welchen Gründen haben die Apotheker:innen und PKAs die Apotheke verlassen? Und welche Motivation gibt es für eine Rückkehr? TARA24 begab sich auf Spurensuche und ist fündig geworden.
Valide Zahlen haben wir keine dazu erhalten, weder von Apothekerkammer, noch von Gehaltskasse, aber gefühlt nimmt die Zahl der Apotheken Drop-Outs, also Apotheker:innen und PKAs, die der Apotheke den Rücken gekehrt haben laufend zu. So gut wie jede:r in der Apothekenwelt kennt jemanden, der diese nach einigen Berufsjahren verlassen hat. Doch was ist es, das die Fachkräfte aus dem „sicheren“ Hafen Apotheke lockt? Wir sind ausgezogen, um die Gründe für den Jobwechsel zu erfahren, und wir fragen, ob es nicht doch manchmal Heimweh nach der Offizin gibt.
Aus der Apotheke in die strategische Beratung
Mag. Thomas Fellhofer hat sich nach 4 Jahren Apotheken-Springer-Tätigkeit für den Schritt in die Industrie entschieden. Bereits bei Studienantritt war für ihn klar, dass ein Pharmazie-Abschluss mehr Türen öffnet, als nur jene in die Apotheke. Wobei ihn ursprünglich alleine die Neugierde lockte. Jetzt arbeitet er in der Medical-Abteilung eines großen internationalen Pahrma-Konzerns. Sein Aufgabenbereich ist vielfältig und anspruchsvoll. „Ich bin für die Medical-Betreuung des gesamten OTC-Portfolios zuständig. Dies umfasst eine Vielzahl von Aufgaben wie Trainings, Freigaben sowie die medizinisch strategische Beratung von Vertrieb und Marketing.“ Die Vielfalt ist es auch, die für Fellhofer nebst den flexiblen Arbeitszeiten die Attraktivität seines Jobs ausmacht. Trotzdem schließ er eine Rückkehr in die Apotheke nicht aus „Warum nicht – wer weiß, was die Zukunft bringt?“
Aus der Apotheke ins Schulungs-Management
Ebenfalls in die Pharmaindustrie verschlagen hat es Mag. Dirk Meier. Der heutige Hobby-Bierbrauer entdeckte seine Liebe zu Naturwissenschaften über ein Schülerpraktikum in einer Brauerei. „Später habe ich aber durch ein Praktikum in einer Krankenhausapotheke die Mischung aus klassischer Naturwissenschaft und Medizin für mich entdeckt. Da war dann mein Interesse für die Pharmazie geboren.“ Der Gedanke, tiefer in die Wissenschaft eintauchen zu wollen, war dem jungen Apotheker häufiger gekommen. „Mit Corona kam dann sehr viel Veränderung in meinem Leben auf und das war für mich dann der Zeitpunkt die Apotheke zu verlassen. 2020 habe ich komplett zur Firma Apomedica pharmazeutische Produkte GmbH gewechselt und darf hier nun meiner Leidenschaft nachgehen, wissenschaftliche Themen zu recherchieren und in Form von Vorträgen verständlich zu machen.“ Heute leitet Meier das Innovationsteam der Firma und ist Hauptverantwortlicher für das Schulungsangebot. Zurück in die Apotheke zieht es in momentan nicht, obwohl er viele Aspekte des Tara-Lebens vermisst: „Ich hatte in der Apotheke ein fantastisches Team, zu dem ich noch heute Kontakt halte. Außerdem fehlt natürlich das tolle Gefühl, wenn man Menschen wirklich helfen konnte. Sei es, weil man sich einfach die Zeit nimmt, um zuzuhören oder aber durch konkrete Beratung bei Medikamenten, Nahrungsergänzungsmitteln oder Lifestyle-Tipps.“
Aus der Apotheke in den Außendienst
Nach 7 Jahren Apothekentätigkeit hatte Julia Brandweiner beschlossen, die Seite zu wechseln. Als PKA war sie (unter anderem) für den Einkauf zuständig gewesen, hatte dadurch Kontakt zu Außendienstmitarbeiter:innen diverser Pharmafirmen aufgebaut und festgestellt, dass das genau der richtige Beruf für sie wäre. Heute arbeitet die Apotheken-Aussteigerin als Key-Account Managerin/Außendienst OTC bei einer großen Pharmafirma, die auf Phytotherapie spezialisiert ist. Dabei informiert sie nicht nur über neue Produkte, sondern unterstützt die Apotheken auch beim Abverkauf, zum Beispiel über POS-Gestaltung und Sichtwahl-Positionierung. Herausfordernd ist die Betreuung von Apothekengruppen – inclusive Datenanalyse und Reporting. Auf die Frage, was ihr im aktuellen Job besser gefalle, antwortet die ehemalige PKA „Die freie Zeiteinteilung und das selbstständige Zeitmanagement. Und, dass täglich neue Aufgabenstellungen und Herausforderungen auf mich zukommen.“ Ein Zurück in die Apotheke schließt Brandweiner nicht ganz aus. „Vorstellen kann ich es mir, allerdings bin ich sehr zufrieden mit meinem aktuellen Job.“ Was ihr manchmal fehlt, ist das individuelle Beraten der Kund:innen. „Das habe ich immer gerne gemacht.“ Aber in etwas abgewandelter Form ist das ja immer noch Bestandteil ihres Berufsalltags.
Aus der Apotheke ins Tätowierstudio
Wenn man Julia (Anm: möchte gerne nur mit Vornamen genannt werden) fragt, ob der Apothekenausstieg die richtige Entscheidung war, erhält man ein breites Grinsen: „Das Zeichnen war schon zu Kindheitstagen mein allergrößtes Hobby. Und was gibt es Schöneres, als das Hobby zum Beruf zu machen? Was soll ich sagen? Ich bin jetzt tatsächlich Tätowiererin!“ Gelernt hat sie allerdings PKA – und das eher zufällig. „Ich glaube, wenn man so wie ich damals 15 Jahre alt ist, ist es sehr schwierig, zu entscheiden, was man tatsächlich einmal beruflich machen möchte und als ich durch Zufall ein Jobangebot einer Apothekeninhaberin bekam, nahm ich dieses relativ spontan an. Nachdem wirklich viele aus meiner Familie im Gesundheitswesen arbeiten, dachte ich, es würde vielleicht auch das Richtige für mich sein.“
“Gestört” haben sie anfangs vor allem die unflexiblen Arbeitszeiten. Deshalb wechselte Julia nach 8 Jahren Apothekeneinsatz in eine Verwaltungsstelle im Kundenservice der Wiener Gebietskrankenkasse. „Diesen Job habe ich auch grundsätzlich sehr gerne ausgeübt, weil ich wunderbare Arbeitskolleginnen und Kollegen hatte und es außerdem ein Gleitzeitmodell gab. Allerdings wurde der Drang, meine Kreativität auszuleben, immer größer, weshalb ich dann 2021 (endlich!) meinen Mut zusammengenommen und einen kompletten Branchenwechsel gestartet habe.“ Das hat sie bis heute nicht bereut und spürt auch keine Sehnsucht, in ihr „altes Leben“ zurückzukehren. „Ich liebe, was ich tue/tun darf, und es ist für mich der absolute Jackpot in Sachen Berufswahl. Schade, dass ich mich nicht schon früher getraut habe, meiner Passion nachzugehen. Aber hey – man ist wirklich nie zu alt, um das zu ändern!“
Von Julias wunderschönen Kunstwerken kann man sich auf ihrer Instagramseite überzeugen.
Aus der Apotheke in die Teilzeitstelle
Diese Euphorie empfindet aber nicht jeder Apotheken-Dropout – oder zumindest nicht für lange. Deshalb gibt es sie auch: die Rückkehrer:innen. Eine davon ist Mag. Sophie Rößel. Erst kam zum Apothekenjob eine nebenberufliche Tätigkeit als Schulungsreferentin. Der wurde schnell zum Teilzeit- und dann zum Hauptjob. Corona führte allerdings zu einer zweijährigen Zwangspause – und zu einer beruflichen Neuorientierung. Jetzt arbeitet Rößel wieder in der Offizin. „Außerdem bin ich selbstständige Trainerin und biete die gesamte Palette von der Konzeption neuer Schulungsformate über deren Erstellung bis hin zur Abhaltung von Vorträgen und Seminaren.“ Sie schätzt die Sicherheit des Angestelltenverhältnisses in der Apotheke und die Flexibilität ihrer Selbstständigkeit. „Die Teilzeitbeschäftigung ist für mich die optimale Ergänzung und erfüllt mich mit Freude.“
Aus der Apotheke in die Lebensqualität und zurück
Voll und ganz zurück in die Tara hat es Mag. Hannes Pregesbauer gezogen. Dabei kann er auf einige durchaus besondere berufliche Stationen zurückblicken. Nach dem Studium startete der Jungpharmazeuten seinen Berufsweg nämlich in der Marienapotheke in Wien Mariahilf. Zum damaligen Zeitpunkt, Anfang der Nuller-Jahre, wurde dort bereits Verblisterung für Pflegeheime angeboten. Außerdem lag und liegt auch heute noch ein Schwerpunkt auf Beratung und Betreuung HIV-positiver Personen. „Die Entscheidung für den Wechsel in den Krankenhaussektor war deshalb keine leichte, aber der Reiz, Verantwortung in einem ganz anderen Bereich zu übernehme, war damals ausschlaggebend.“ Der Weichenstellung voraus ging ein Post-Graduate-Studium in Pharmamanagement. Daraufhin war Pregesbauer viele Jahre im KAV (Krankenanstaltenverbund)in Wien im Bereich Krankenhaus-Management im Einsatz.
Seit letztem Jahr steht er wieder hinter der Tara – allerdings nicht mehr in Wien, sondern in Klagenfurt. Warum er wieder in die Offizin zurückgekommen ist? „Die Besoldung über die Pharmazeutische Gehaltskasse und das große Angebot an Teildienstmöglichkeiten unterstützen uns Apotheker:innen beispielgebend in der persönlichen Gestaltung der Work-Life-Balance. Und die Möglichkeit, dort zu arbeiten, wo andere Urlaub machen.“ Als große Veränderung seit seinem Ausscheiden vor fast 20 Jahren sieht Pregesbauer den vermehrten Einsatz von Kommissionierautomaten und ein Neudenken der logistischen Abläufe durch den Einsatz des E-Rezeptes.
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