Der fortschreitende Klimawandel verlängert durch steigende Temperaturen und erhöhte CO2-Werte die Pollensaison und führt zu größeren Pollenmengen. Medizinische Beratung im Zusammenhang mit allergischer Rhinitis und Allergiesymptomen bekommt immer größere Bedeutung. Hier eröffnet eine kürzlich erschienene Studie neue Ansätze: Durch das Identifizieren der hochregulierten Gene in der Nasenschleimhaut bei Birkenpollenallergiker:innen ergeben sich neue Zielstrukturen für personalisierte Therapien und gezielte Präventionsstrategien.
Der Klimawandel führt zu dem verfrühten Blühen vieler Pflanzenarten, darunter Hasel, Erle und Birke. Gleichzeitig verlängert sich die gesamte Pollensaison, da Spätblüher wie Ambrosia länger aktiv bleiben. Die verlängerte Vegetations-periode steigert sowohl die Dauer als auch die Intensität der Pollenbelastung. Prognosen zufolge nimmt bis zum Ende des Jahrhunderts in den USA die Pollenemission um 16 bis 40 Prozent zu und die Pollensaison hält um bis zu 19 Tage länger an. Eine Übersichtsarbeit zeigt: Die Inanspruchnahme von medizinischer Beratung im Zusammenhang mit der allergischen Rhinitis ist in den letzten 20 Jahren stetig angestiegen.
Birke: frühere Blütezeit, längere Saison
Laut Langzeitdaten blüht die Birke heutzutage in Mitteleuropa etwa zwei bis drei Wochen früher und im Schnitt 10 Tage länger als noch vor 30 Jahren. Ihr Pollen zählt zu den stärksten Allergenen unter den Baumpollen. Er ist einer der Hauptauslöser für Pollenallergien in Mitteleuropa. In Österreich sind rund 450.000 Menschen von einer Birkenpollen-Allergie betroffen. Typische Beschwerden reichen von verstopfter oder rinnender Nase über geschwollene Augenlider bis hin zu Atemproblemen. Etwa 60 Prozent der Birkenpollen-Allergiker:innen sind zusätzlich von Lebensmittel-assoziierten Kreuzreaktionen betroffen. Aufgrund einer strukturellen Ähnlichkeit der allergenen Proteine kommt es bei der Aufnahme von Äpfeln, Birnen, Haselnüssen, Soja oder auch exotischen Früchten wie der Jackfruit ebenfalls zu einer allergischen Reaktion.
160 Gene in Nasenschleimhaut aktiviert
Die Wissenschaftler der Karl Landsteiner Privatuniversität und Medizinischen Universität Wien untersuchten in ihrer Arbeit die Genexpression der Nasenschleimhaut nach Kontakt mit Birkenpollen. Hierzu wurde das Nasensekret der Probanden in zeitlichen Abständen nach dem Kontakt mit der Pollenlösung oder der Salzlösung entnommen. Bereits 15 bis 30 Minuten nach der nasalen Provokation zeigten sich bei Allergiker:innen aktivierte Immunsignalwege. Innerhalb einer Stunde wurden zudem Signalwege aktiviert, die die Zellproliferation regulieren. Besonders relevant waren dabei die Interleukine 1, 8 und 17, deren Signalwege eine zentrale Rolle bei der gezielten Migration und Aktivierung von Immunzellen spielen. Wie erwartet traten bei der allergischen Kohorte nach Kontakt mit dem Pollen deutliche allergische Symptome wie Juckreiz und Niesen auf.
Bei Allergiker:innen wurden insgesamt 160 Gene hochreguliert, bei den Nicht-Allergiker:innen hingegen nur 44 Gene. Das Expressionsmuster der allergischen Nasenschleimhaut nach Birkenpollenexposition ähnelt in frühen Phasen vor allem der bei Atemwegs- und Hauterkrankungen, in späteren Phasen zunehmend der bei Tumorprozessen. Das deutet darauf hin, dass die allergische Entzündungsreaktion molekulare Parallelen zu anderen entzündlichen und proliferativen Erkrankungen aufweist.
Personalisierte Therapie und Prävention
Die Veränderung der Genexpression und körperlichen Symptome war bei Nicht-Allergikern deutlich geringer ausgeprägt. Auch die betroffenen Signalwege unterschieden sich qualitativ und quantitativ von jenen der Allergiker:innen. Besonders wurden zahlreiche Gene beeinflusst, die Entzündungsprozesse oder die Immunabwehr regulieren. Dies eröffnet den Studienautoren zufolge neue Ansätze für personalisierte Therapien und innovative Präventionsmaßnahmen.
Die starke Beteiligung des Glukokortikoid-Rezeptor-Signalwegs in beiden Gruppen legt nahe, dass dieser Mechanismus ein natürlicher Regulationsweg ist, um überschießende Entzündungsreaktionen bei Pollenexposition zu kontrollieren. Dies stimmt mit dem bekannten Wirkmechanismus von Glukokortikoiden als antiallergische und antiinflammatorische Medikamente überein. Die gezielte Modulation dieses Signalwegs bleibt ein vielversprechender Ansatz für zukünftige antiallergische Therapien.
Zur genaueren Identifikation der zugrundeliegenden Allergiemechanismen sind weitere Studien erforderlich. Angesichts der verlängerten Pollensaison durch den Klimawandel gewinnen präzise Einblicke in die allergischen Signalwege zunehmend an Bedeutung – sowohl für eine individualisierte Behandlung als auch für die Entwicklung frühzeitiger Präventionsstrategien.