Bayer-Chef Bill Anderson sieht den deutschen Konzern auf gutem Weg, die jahrelangen Krisen von der schwachen Pharmapipeline bis zu den Glyphosat-Rechtsstreitigkeiten zu überwinden. „Wir haben das Unternehmen von Grund auf neu gestaltet“, sagte Anderson bei einer Presseveranstaltung im spanischen San Sebastián. Man habe zwar noch einen weiten Weg vor sich, mache jedoch bei allen großen Herausforderungen Fortschritte.
Insbesondere bei der lange kritisierten Pharmasparte habe der Konzern „die Wende geschafft“, auch wenn Anderson noch nicht vollends zufrieden ist. „Wir hätten gerne mehr Produkte in der späten Entwicklungsphase. Aber wir haben in den letzten 18 Monaten große Fortschritte gemacht, und ehrlich gesagt, mehr als ich mir hätte vorstellen können.“
Pharmachef Stefan Oelrich betonte, bereinigt um die Auswirkungen des Patentablaufs beim Blutverdünner Xarelto wachse das Pharmageschäft im ersten Halbjahr zweistellig. Verantwortlich dafür seien vor allem Hoffnungsträger wie das Krebsmedikament Nubeqa und das Nierenmittel Kerendia. „Diese beiden Medikamente allein gleichen bereits aus, was wir in diesem Jahr bei Xarelto verlieren“, sagte Oelrich. Zudem entwickle sich das Herzmedikament Beyonttra zu einem unerwarteten Blockbuster-Kandidaten. Auch beim Augenmittel Eylea, dem zweitumsatzstärksten Medikament, könne der Konzern den Umsatz dank einer neuen Hochdosis-Formulierung trotz der Konkurrenz durch Nachahmerprodukte stabil halten. Oelrich zufolge wird 2026 das letzte Jahr mit Belastungen durch den Xarelto-Patentablauf sein. Ab 2027 sei wieder „sehr wettbewerbsfähiges Wachstum“ zu erwarten.
Die künftige Innovationskraft soll auch aus hochmodernen Technologien wie der Zell- und Gentherapie kommen. Als Beispiel nannte Anderson den Start einer zulassungsrelevanten Phase-3-Studie mit einer Zelltherapie für Parkinson-Patienten. Die Leitlinie für die Forschung laute künftig: „first in class, best in class“. Nur mit einem solch ambitionierten Ansatz könne Bayer die besten Wissenschaftler gewinnen, betonte Oelrich. Sein Anspruch sei es, Bayer von Platz 17 unter die zehn größten Pharmakonzerne der Welt zu führen. „Das ist kein konkretes Ziel, aber es ist eine Vision. Und um das zu erreichen, müssen wir uns auch im Bereich Innovation weiterentwickeln.“
Glyphosat-Klagen „echte Belastung“
Dass die Fortschritte sich nicht im Aktienkurs widerspiegeln, führte Anderson auf die US-Rechtsstreitigkeiten um den Unkrautvernichter Glyphosat zurück. „Investoren sagen uns durchweg: ,Ihr müsst die Rechtsstreitigkeiten beilegen’“, sagte der Bayer-Chef. „Es ist eine echte Belastung für das Unternehmen, für die Mitarbeiter und auch für die Aktie.“ Erst im August hatte Bayer weitere Rückstellungen von 1,7 Milliarden Euro für die Klagewelle gebildet, die sich der Konzern 2018 mit der 63 Milliarden Dollar teuren Monsanto-Übernahme ins Haus geholt hatte.
Anderson bekräftigte das Ziel, die zuletzt noch rund 61.000 offenen Klagen bis Ende 2026 maßgeblich zu bewältigen. Dabei setze Bayer auf eine mögliche Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA, Gesetzesinitiativen sowie die Unterstützung durch Landwirte. Sollte sich an der Rechtslage nichts ändern, hatte Anderson bereits mit einem Rückzug des kaum noch profitablen Glyphosat-Geschäfts in den USA gedroht.
Bayer-Chef gibt sich mit Blick auf US-Zollpolitik gelassen
Gelassen zeigte sich der Bayer-Chef dagegen weiter mit Blick auf die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump. Insbesondere im Pharmageschäft seien die Herstellungskosten im Verhältnis zu den Ausgaben für Forschung und Entwicklung eher niedrig. Ein Zoll von 15 Prozent auf die Warenkosten ändere das Gesamtbild daher nicht grundlegend. Zudem produziere Bayer sowohl in den USA als auch in Europa, was Flexibilität schaffe. Auch könnten einige Agrarprodukte von den Zöllen ausgenommen sein. „Zölle sind für uns kein zentrales Thema“, sagte Anderson.
APAMED