Der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV) kritisiert, dass die bereits im Juli 2024 beschlossene Erweiterung der Pflegekompetenzen bei der Medikamentengabe noch immer nicht umgesetzt wurde. Laut Vizepräsidentin Inge Köberl-Hiebler stockt der Prozess, weil Pflichtvertretungen, allen voran die Ärztekammer, ihr Veto eingelegt haben. Sie fordert nun Gesundheitsministerin Korinna Schumann (SPÖ) zum Handeln auf. Die Ärztekammer weist die Kritik zurück und betont: „Wir sind für die Umsetzung.“
Novelle beschlossen, Umsetzung fehlt
Am 19. Juli 2024 wurde die Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) kundgemacht. Die Änderungen traten schrittweise mit 20. Juli 2024 in Kraft. Als Konsequenz der Novelle ergeben sich für Diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger:innen (DGKP) ab 01. September 2025 Änderungen bei der Berechtigung zur Verordnung/Weiterverordnung von Arzneimitteln:
Ab September 2025 sind DGKP gemäß § 15b GuKG berechtigt, Arzneimittel in den Bereichen Nahrungsaufnahme, Körperpflege sowie Pflegeintervention und -prophylaxe selbstständig und ohne Anordnung der Ärzt:innen an Patient:innen zu verordnen. Diese Arzneimittel sind durch eine – noch ausstehende – Verordnung zu definierenden.
Darüber hinaus dürfen DGKP künftig (diese noch zu definierenden) Arzneimittel nach Maßgabe der ärztlichen Anordnung weiterverordnen. Die Entscheidung über die Möglichkeit der Weiterverordnung bleibt den Ärzt:innen vorbehalten, das heißt Ärzt:innen können die Weiterverordnung von Medikamenten im Vorhinein ausschließen. Eine Abänderung der ärztlichen Verordnung durch eine:n DGKP ist nicht zulässig. Ärzt:innen können die Weiterverordnung jederzeit widerrufen oder abändern.
Schumanns Vorgänger Johannes Rauch (Grüne) hatte die Neuregelung vorangetrieben – auch mit dem Verweis darauf, dass derartige Verschreibungen durch Pflegekräfte in anderen Ländern ganz normal seien. Eigentlich hätte die Neuerung (durch eine Verordnung Schumanns) bis 1. September umgesetzt werden sollen, sagte ÖGKV-Präsidentin Elisabeth Potzmann auf Nachfrage zur APA. Dass es nun zu Verzögerungen kommt, ist auch für sie unverständlich.
ÖGKV: „Ärztekammer steht auf Bremse“
Auf der Bremse stehe konkret die Ärztekammer, berichtete das Ö1-Mittagsjournal. Köberl-Hiebler verwies darauf, im Gesetz stehe lediglich, die Pflichtinteressensvertretungen (wie die Ärztekammer) müssten „gehört“ werden. „Also eigentlich könnte der Gesetzgeber hier schon klar vorgeben, dass die Pflege das machen darf“, betonte die Vizepräsidentin. Die Liste der von den neuen Möglichkeiten im Gesetz umfassten Medikamente sollte per Verordnung des Gesundheitsministeriums seit September vorliegen. Sie wünscht sich nun ein Gespräch mit Gesundheitsministerin Korinna Schumann (SPÖ).
Nur „OTC“ verordnen
Die Neuerung soll den diplomierten Pflegekräften mehr Kompetenzen bringen. Sie dürften damit auch bestimmte Medikamente „verordnen“. Freilich geht es dabei laut Potzmann ohnehin nur um jene Medikamente, die man rezeptfrei in der Apotheke kaufen kann (Over The Counter Arzneimittel). Diplomierten Pflegekräften ist das eigenständige Besorgen und Weitergeben derartiger Medikamente aber derzeit nicht gestattet. Benötigt beispielsweise ein Heimbewohner ein in der Apotheke ohne Rezept erhältliches Kopfwehmittel, so muss das von einem Arzt verordnet werden.
Viel Aufwand für Pflegekräfte
Da in Heimen aber in der Regel kein ärztliches Personal anwesend ist, gestalte sich das oft sehr mühsam, erklärte Potzmann gegenüber der APA: Die Hausärzte der Heimbewohner müssen in solchen Fällen kontaktiert werden, ein Rezept für das rezeptfreie Medikament muss ausgestellt werden und erst mit diesem können dann diplomierte Pflegekräfte das benötigte Arzneimittel aus der Apotheke abholen. „Da sitzen diplomierte Pflegefachkräfte in der Ordination, damit sie ein Rezept bekommen“, verwies Potzmann auf den Aufwand. Vor allem Patientinnen und Patienten zu Hause oder in der Langzeitpflege wäre geholfen, weil sie dann weniger Wege absolvieren müssten, um zu ihren Medikamenten zu kommen, hieß es weiter.
Grüne: Kritik an Ärztekammer
Kritik sowohl an der Ärztekammer als auch den Koalitionsparteien kam von den Grünen. „Es zeigt sich einmal mehr, dass die ständige Blockadehaltung der Ärztekammer schlecht für das Gesundheits- und Pflegewesen ist“, erklärte der Grüne Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner in einem schriftlichen Statement. „Was längst international üblich ist, und nachweislich zur Verbesserung der Betreuung beiträgt, wird in Österreich von der Ärztekammer aus Standesinteressen verunmöglicht.“ Weiters übt er Kritik an der Regierungsmehrheit im Nationalrat, die den Antrag der Grünen auf eine „Erweiterung der Arzneimittel“ vertagt hatte.
Ärztekammer: „Wir sind für die Umsetzung“
Die Ärztekammer (ÖÄK) sieht sich in der Diskussion um die Kompetenzerweiterung bei Pflegefachkräften nicht als Bremser.
„Wir sind für die Umsetzung“, sagte der Leiter des Referats Gesundheitsberufe, Klaus Kubin, zur geplanten Medikamenten-„Verschreibung“ durch Pflegekräfte zur APA. Den Grundsatz der Kompetenzerweiterung begrüße man in der Ärztekammer vielmehr, sagte er. Denn es gehe darum – gerade in der Langzeitpflege –, dass man bei gewissen Arzneimitteln nicht mehr den Weg über den Arzt machen müsse, sprach der Referatsleiter beispielsweise Präparate für die Haut- und Wundpflege an.
„Wir weisen vehement zurück, dass wir eine Verhindererposition einnehmen würden. Wir waren extrem kooperativ und sind überrascht ob der jetzigen Entwicklung“, betonte Kubin. Und: „Wir stehen dem Ganzen nicht ablehnend gegenüber.“ Es gehe aber um die Frage der Medikamente auf der Liste.
Gesundheitsministerium hofft auf Konsens
Aus dem Gesundheitsministerium hieß es dazu, man unterstütze den Prozess und hoffe auf einen tragfähigen Konsens. Der ÖGKV habe dazu bereits sehr umfassende Listen mit Arzneimitteln vorgelegt. „Diese ging jedoch über die derzeitigen gesetzlichen GuKG hinaus und wurde daher von der Österreichischen Ärztekammer abgelehnt“, so das schriftliche Statement des Ministeriums. Man habe daher seitens des Ressorts den ÖGKV im September ersucht, eine gesetzeskonforme Liste zu erarbeiten und die Gespräche mit der Ärztekammer sowie den weiteren beteiligten Organisationen fortzusetzen.
Warten auf Übermittlung der Liste
ÖÄK-Referatsleiter Kubin sagte dazu nun auf APA-Anfrage, man warte in der Ärztekammer auf die Übermittlung des eigentlich bereits ausgehandelten Entwurfs für die Medikamentenliste durch den Krankenpflegeverband. „Die letzte verhandelte Liste wäre für die Österreichische Ärztekammer tragbar.“
Wenn „einzelne Teile des ÖGKV enttäuscht darüber sind, dass die Liste zu wenig umfangreich ist, kann ich nur sagen: Mehr gibt das Gesetz nicht her.“ Darüber hinaus sei man auch immer der Patientensicherheit und -compliance verpflichtet. Die Kammer habe „ohne jede Diskussion“ die Aufnahme aller nicht rezeptpflichtiger Medikamente in die Liste aufgenommen, so Kubin. Bei Medikamenten wie Schmerzmitteln oder Antibiotika brauche es aber eine „tiefgreifende Kompetenz“ und somit den Weg über den Arzt/die Ärztin.
