Der Apotheker und Gesundheitssprecher der FPÖ, Mag. Gerhard Kaniak, plädiert für eine stärkere Rolle der Apotheker:innen (neben den Hausärzt:innen) bei der Aufklärung und Beratung in Gesundheitsfragen sowie für eine leistungsgerechte Vergütung zusätzlicher Serviceangebote durch die Sozialversicherungen. Industriepolitisch müssten für den gesamten Industriesektor neue Wachstums- und Zukunftschancen geschaffen werden. Dabei sei die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Fachkräfte in der pharmazeutischen Industrie von entscheidender Bedeutung.
TARA24: Welche gesundheitspolitischen Schwerpunkte setzt die FPÖ in der kommenden Legislaturperiode?
Gerhard Kaniak: Die FPÖ hat für die Patienten- und Pflegeversorgung sowie die dringend notwendigen Rahmenbedingungen für die einzelnen medizinischen Berufsgruppen ein umfangreiches Programm mit Alternativvorschlägen erarbeitet. Dabei geht es um mehr Ärzte, Therapeuten und Pfleger sowie um das freiwillige Rettungswesen und die finanzielle Sicherstellung des Gesundheitswesens auf allen Ebenen, vom Hausarzt bis zur hochspezialisierten chirurgischen Versorgung. Auch die rechtliche und finanzielle Absicherung der Betreuung bei Tod- oder Fehlgeburten, ein Stopp in der Sozialmedizin bei Experimenten wie „Pubertätsblockern“ bei Kindern und Jugendlichen sowie der Kampf gegen Ko-Tropfen sind wichtige Forderungen der FPÖ. Viele Initiativen wurden bereits seit Beginn der Legislaturperiode 2019/2020 eingebracht und von Türkis-Grün immer wieder vertagt oder niedergestimmt.
Was jetzt benötigt wird, ist ein umsetzungsfähiger Maßnahmenkatalog:
- Zunächst muss der Personalbedarf im Gesundheitswesen evaluiert werden. Dazu zählen die Überarbeitung des regionalen Strukturplans mit Fokus auf die niedergelassene Versorgung, die Reduzierung der Abweichungstoleranz auf 15 Prozent und die Festlegung eines einheitlichen Personalschlüssels für Krankenhäuser. Auch die bevorstehende Pensionswelle und die Ausbildungskapazitäten müssen berücksichtigt werden.
- Ein zentraler Punkt ist die finanzielle Fairness, einschließlich der Auszahlung von Überstunden und einer steuerfreien Pflegeprämie. Gehaltsschemata sollen verbessert und Vordienstzeiten angerechnet werden. Es braucht eine Entbürokratisierung, administrative Aufgaben sollten ins Sekretariat verlagert werden. Berufsbilder müssen aufgewertet werden, und Allgemeinmediziner sollten Primärversorgungseinheiten (PVE) allein gründen dürfen.
- Die Weiterbeschäftigung älterer Ärzte ist wichtig, um Zeit für die Ausbildung von Nachwuchskräften zu gewinnen. Dafür sollte die Altersgrenze von 70 Jahren für Kassenärzte aufgehoben werden. Es müssen mehr Ausbildungsstellen geschaffen und die Ausbilderquote vorübergehend aufgehoben werden. Studienplätze sollen bedarfsorientiert festgelegt werden. Ein einheitliches Stipendiensystem soll mehr Absolventen ins öffentliche Gesundheitssystem integrieren und Bieterwettbewerbe verhindern. Absolventen österreichischer Medizin-Unis sind dabei besser integrierbar als ausländische.
- Die Einbindung der Wahlärzte ins Kassensystem und die Aufhebung des Doppelbeschäftigungsverbots wären sofort wirksame Maßnahmen. Flexible Vertragsmodelle könnten Kassen- und Wahltätigkeiten kombinieren. Zudem sollte kein Bewertungsboard für Arzneimittel im intramuralen Bereich eingeführt werden. Ärzte müssen weiterhin eigenständig Behandlungen in Krankenanstalten durchführen können, ohne dass ein Superboard über Medikationen entscheidet. Ein erweiterter Notfallparagraf sollte eine Wirkstoffverordnung mit Ökonomiegebot ersetzen.
- Mittel- und langfristige Reformen sind nötig, darunter der Ausbau der wohnortnahen Versorgung, die Spezialisierung der Spitäler sowie die Stärkung von Pflege und Reha. Patientenlenkung sollte durch positive Anreize geschehen. Die Sozialversicherungsreform muss fortgesetzt und die Finanzierung des Gesundheitssystems aus einer Hand sichergestellt werden, notfalls mit Übergangslösungen.
Werden Sie die Ziele der beschlossenen Gesundheitsreform unterstützen? Welche Punkte priorisieren sie?
Kaniak: Die aktuelle Gesundheitsreform ist ein Projekt das „zu halben Zielen“ mit „halben Mitteln“ auf „halben Wegen“ steckengeblieben ist. Die organisatorischen, personellen und finanziellen Ressourcen müssen endlich gebündelt werden. Und die wechselseitige Blockadepolitik zwischen dem Bund, den Ländern, den Sozialversicherungen und der Ärztekammer muss endlich beendet werden.
Apotheken spielen eine zentrale Rolle in der Gesundheitsversorgung vor Ort. Wie plant die FPÖ die Position und Aufgaben der Apotheken zu stärken?
Kaniak: Die österreichischen Apotheken sind neben den Hausärzten, also den Allgemeinmediziner sowie den Fachärzten, eine bewährte Säule im niedergelassenen Bereich. Durch eine Ausweitung der Dienstleistungen wie Impfen, Medikationsanalyse usw. sollte diese Säule weiter gestärkt werden, um eine hohe Dichte der medizinischen Versorgung wohnortnahe garantieren zu können.
Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die Apotheken für die öffentliche Gesundheit sind. Wie wird die FPÖ diese Erfahrungen nutzen, um Apotheken in Zukunft noch stärker in Präventionsmaßnahmen einzubeziehen?
Kaniak: In der Gesundheitsversorgung und in der Gesundheitsvorsorge sind die Apotheken wohnortnahe im niedergelassenen Bereich eine bewährte Serviceeinrichtung für die Bevölkerung. Neben den Hausärzten sollten die Apotheken bei Aufklärung und Beratung in Gesundheitsfragen eine noch stärkere Rolle spielen. Diese Serviceangebote sollten auch entsprechend leistungsgerecht durch die Sozialversicherungen vergütet werden.
Wie stehen Sie zur Digitalisierung im Gesundheitswesen, insbesondere in Bezug auf die elektronische Verschreibung und die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern? Welche Rolle sehen Sie für Apotheken in der Zukunft im Hinblick auf die Telemedizin und digitale Gesundheitsberatung?
Kaniak: Ein gewisser Grad an Digitalisierung ist aus einem modernen Gesundheitswesen nicht mehr wegzudenken. Dies muss aber alles mit Hausverstand, Sachkunde und in einer Angemessenheit zur Dienstleistungsorientierung gegenüber den Patienten stattfinden. Aktuell sind wir durch falsche gesundheitspolitische Weichenstellungen leider in einer Sackgasse. Deshalb kein Stückwerk mehr, wie jetzt ELGA, E-Impfpass etc. sondern ein bürgerfreundliches System, das auch von den Kooperationspartnern, dh. Ärzten, MTDs, Apotheken usw. benützt werden kann, und mit strengen Datenschutzregeln mit Opting-Out-Möglichkeiten ausgestattet ist. Funktioniert das System, dann sollte es durch die Apotheken serviceorientiert auch voll nutzbar gemacht werden. Neben der Telemedizin und der digitalen Gesundheitsberatung hat aber das persönliche Beratungsgespräch und der unmittelbare Kontakt im niedergelassenen Bereich einen hohen Stellenwert. Gerade im Gesundheitswesen sollte diese persönliche Komponente nicht zu kurz kommen, sondern weiter einen hohen Stellenwert haben.
Welche Maßnahmen sind notwendig, um die pharmazeutische Industrie in Österreich zu unterstützen, insbesondere im Hinblick auf Forschung und Entwicklung und hinsichtlich als Wirtschaftsstandort attraktiv zu bleiben?
Kaniak: Die gesamte österreichische Wirtschaft leidet seit knapp fünf Jahren darunter, dass keine vernünftige Standortpolitik mehr gemacht wird. Dies trifft die österreichische Industrie und das Gewerbe massiv. Massiv betroffen ist hier auch die pharmazeutische Industrie, die auch durch Lieferkettenschwierigkeiten, die hohen Betriebs-, Energie- und Lohnnebenkosten oder die CO2-Steuern und massive bürokratische Hemmnisse betroffen ist. Industriepolitisch muss hier ein Befreiungsschlag erfolgen und für den gesamten Industriesektor neue Wachstums- und Zukunftschancen geschaffen werden. Wichtig ist dabei auch die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Fachkräfte in der pharmazeutischen Industrie.
Der Zugang zu leistbaren Medikamenten ist ein zentrales Thema in der Versorgung. Welche Strategien verfolgen Sie, um Preisanstiege bei Medikamenten zu kontrollieren und gleichzeitig die Verfügbarkeit sicherzustellen und wie kann man sicherstellen, dass der Zugang zu innovativen Medikamenten für die Bevölkerung gewährleistet bleibt?
Kaniak: Die Sozialversicherungen müssen in einem nächsten Schritt auch ihren Erstattungskodex usw. reformieren, um die finanziellen Grundlagen für die Arzneimittelversorgung zu schaffen. Die Medikamentenversorgung ist ein zentraler Bereich der Daseinsversorgung. Deshalb braucht es eine Anpassung des Arzneimittel-Spannensystems zugunsten der österreichischen Vertriebsebenen und Erweiterung des Notfallparagrafen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten
Warum sollten Apotheker und pharmazeutisches Fachpersonal die FPÖ wählen? Welche Vorteile versprechen Sie speziell dieser Berufsgruppe?
Kaniak: Als FPÖ unterstützen wir die Anliegen der Gesundheitsberufe, und dabei insbesondere auch das pharmazeutische Personal, damit ein modernes Arbeitsrecht, eine leistungsorientierte Entlohnung und eine zukunftsorientierte Aus-, Fort- und Weiterbildung im österreichischen Bildungssystem hier die Grundlagen für eine erfolgreiche und kompetente Berufsausübung leisten können.
Schließlich war die FPÖ traditionell immer ein politischer Ansprechpartner und Vertreter der Freien Berufe. Sehr viele Freiberufler sind als Funktionäre im Bund, den Ländern, Gemeinden und auch im Freiheitlichen Parlamentsklub tätig. Etwa Apotheker, Ärzte, Tierärzte, Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater, Notare und Rechtsanwälte. Die FPÖ setzt sich daher für eine gleichberechtigte Stellung der Freien Berufe und ihrer Vertretungen ein, und das unabhängig davon, ob sie künftig Oppositionspartei ist, oder in Regierungsverantwortung ist.
Zum Schwerpunkt NR-Wahlen:
Interviews mit den Standesvertretern und Gesundheitssprechern