ÖGK-Kritik schlägt weiter Wellen


Redaktion

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Zurück zum Krankenkassen-Föderalismus oder noch mehr Zusammenlegung? Die Stimmen gehen in beide Richtungen.ZIHE/AdobeStock_895172764

Der Generaldirektor der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Bernhard Wurzer, hat nach am Wochenende aufgekommener breiter Kritik an der Kassenreform unter der türkis-blauen Regierung diese verteidigt. Herausforderungen könnten nur einheitlich bewältigt werden, betonte er. Gleichzeitig signalisierte er Reformbereitschaft: Man müsse sich “natürlich” immer selbst evaluieren, sagte er im “Ö1”-Radio am Dienstag. Während Tirols Landeshauptmann Mattle die Kassen-Zusammenlegung der Bundesländer kritisiert hat, wünscht sich das Rote Kreuz genau diesen Schritt auch in anderen Bereichen.

“Das Gesundheitswesen steht vor großen Herausforderungen, vor demografischen Herausforderungen. Die Medizin wird ambulanter, das Anspruchsverhalten der Menschen verändert sich”, so Wurzer. “Diese Herausforderungen wollen wir österreichweit einheitlich – vom Bodensee bis zum Neusiedlersee umsetzen und annehmen, zum Beispiel durch Telemedizin.” Gleichzeitig betonte er, die Reform auch kritisch zu beleuchten: “Ich denke, natürlich muss man bei Reform sich immer selbst evaluieren, das tun wir auch laufend.” An der Grundsatzentscheidung der Kassenzusammenlegung will Wurzer aber keinesfalls rütteln: “Die österreichische Gesundheitskasse ist sehr wohl richtig und gut für die Menschen.”

Aus 21 mach 5

Beschlossen worden war die Fusion der zuvor 21 Versicherungsträger auf fünf im Dezember 2018 unter der türkis-blauen Regierung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), in Kraft trat die Fusion mit 1. Jänner 2020. Zur Kritik, dass die erhofften Einsparungen – Stichwort „Patientenmilliarde” – nicht erzielt werden konnten, verwies Wurzer auf die Umstände: „Drei Monate nachdem die ÖGK geschaffen wurde, kam eine weltweite Pandemie.” Und: „Man muss noch einmal festhalten: In den letzten Jahren sind mehr als 13 Milliarden Euro zusätzlich als Leistung an die Versicherten ausgegeben worden”, sagte der ehemalige ÖVP-Politiker Wurzer.

Gleichzeitig betonte er weitere Reformbereitschaft der ÖGK: „Wir sind natürlich ständig dabei, uns selbst zu evaluieren. Wir sind aus neun Gebietskrankenkassen entstanden, das war die größte Reform in der Geschichte im öffentlichen Bereich.” Man wolle in Österreich von Bodensee bis Neusiedlersee die gleiche Leistung zur Verfügung stellen, auch in neuen Formen wie der Telemedizin. „Das macht keinen Sinn in einzelnen Bundesländern, sondern nur österreichweit einheitlich.”

Zur Kritik etwa von Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ), die am Vortag die von der ÖVP/FPÖ-Regierung versprochene „Patientenmilliarde” als „Schmähpartie” bezeichnet hatte, sagte Wurzer, die ÖGK habe nicht die Verantwortung, politische Versprechen zu erfüllen, sondern die Versorgung sicherzustellen.

Rückhalt von SVS und Industriellenvereinigung

Auch Peter Lehner, Obmann der Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS), verteidigte die Fusion. „Eine Rückkehr in alte Strukturen ist nicht die Antwort auf die neuen Herausforderungen. Wir leben in einer komplett anderen Welt als in den 1990ern und den 2000ern. Unser System muss auf die Zukunft ausgerichtet sein und Offenheit für neue Konzepte und Innovationen bieten. Das ist aktuell möglich”, sagte der ehemalige ÖVP-Politiker in einer Aussendung. Die aktuellen Strukturen würden „viel Gestaltungsspielraum und Potenziale” bieten, diese könnten „von jedem Träger individuell genutzt werden, um das Angebot auf seine Versicherten auszurichten”. Eine Debatte zu einer neuerlichen Reform würde „Stillstand bedeuten”. “Dies können wir uns nicht leisten”, meinte Lehner.

Gegen eine Rückkehr zur alten Kassenstruktur sprach sich am Dienstag auch die Industriellenvereinigung (IV) aus. Sie forderte stattdessen „Fairness gegenüber Beitragszahlern und Versicherten”. „Fair ist, was effizient organisiert ist und allen Versicherten eine qualitativ hochwertige Versorgung ermöglicht”, hieß es in einer Aussendung. Die Zusammenlegung der Kassen sei „ein richtiger Schritt” gewesen, „wurde jedoch in der Umsetzung nicht konsequent genug verfolgt”. Die IV fordert daher, „die begonnene Reform des Gesundheitssystems nun entschlossen weiterzuführen – mit Fokus auf Digitalisierung, besserer Patientensteuerung und transparenter Ergebnismessung”. Ziel müsse es sein, „die ÖGK wirtschaftlich tragfähig, modern und zukunftsfit aufzustellen”, so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.

Rotes Kreuz für noch mehr Vereinheitlichung

Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer betonte in einer Aussendung, wenn sinnvoll gespart werden soll, „dann muss auch an Reformen gedacht werden” – um Ressourcen zu sparen und gleichzeitig die Schlagkraft zu erhöhen. „Deswegen rege ich an, den Föderalismus in Österreich neu zu denken” – und forderte weitere Vereinheitlichung: „Was wir in die Sozialversicherungen einzubezahlen haben, ist einheitlich geregelt. Was aber den Versicherten geboten wird, ist pro Bundesland sehr unterschiedlich.” Man müsse nun „die PS tatsächlich auf die Straße bringen. Wozu neun unterschiedliche und sehr komplizierte Abrechnungssysteme? Warum neun verschiedene Krankentransporttarife?”, so der Präsident.

Angestoßen hatte am Wochenende die Debatte der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP). Er bezeichnete die Kassenfusion als Fehler und forderte eine „Reform der Reform”. Der Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse, Andreas Huss, lobte die „Einsicht” Mattles, in den anderen Bundesländern teilten die Kritik vor allem SPÖ-Vertreter, aber – zurückhaltender – auch Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP). Gesundheitsministerin Korinna Schumann (SPÖ) verwies auf eine von der Regierung geplante Evaluierung der Reform.

APA



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