Zirbenholz wird oft als natürliches Heilmittel für besseren Schlaf und mehr Wohlbefinden beworben. Möbel, Bettwaren oder Raumaccessoires aus Zirbe sollen beruhigend wirken und die Schlafqualität verbessern. Doch die wissenschaftliche Grundlage für diese Behauptungen ist äußerst dünn.
Der Mythos vom „Zirbenschlaf“
Zirbenholz, gewonnen aus der Zirbelkiefer (Pinus cembra), die in den Alpenregionen wächst, ist für seinen charakteristischen Duft bekannt. Schon im Volksmund ist überliefert, dass Menschen in Betten sowie Kleinkinder in Wiegen aus Zirbenholz besseren Schlaf finden. Hersteller werben, dass Möbel oder Bettwaren aus Zirbe durch diesen Duft nicht nur ein angenehmes Raumklima schaffen, sondern auch den Herzschlag beruhigen und den Schlaf fördern sollen.
Diese Behauptungen stützen sich auf eine einzige kleine österreichische Studie aus dem Jahr 2003, die 2021 geringfügig überarbeitet erneut veröffentlicht wurde. Tiefergehende wissenschaftliche Untersuchungen zum Zirbenholz gibt es bis heute wenige. Eine Diplomarbeit der Universität Wien aus dem Jahr 2022 beschäftigt sich mit dem Einfluss von „Zirbenholzöl auf den Blutdruck und die Befindlichkeit des Menschen“.
Ätherisches Zirbenkieferöl
Das Ätherische Zirbenkieferöl, auch unter dem lateinisch Namen Pini cembrae aetheroleum bekannt, zählt zu seinen Hauptbestandteilen Monoterpene wie wie α-Pinen, β-Pinen, Limonen und β-Phellandren. Diesen sind antimiktobielle, antimykotische, antioxodative und antiphlogistische Wirkungen zugeschrieben.
Zirbenholz: Kaum wissenschaftliche Belege
In der genannten österreichischen Studie schliefen 15 Personen jeweils drei Wochen lang in einem Zirbenbett und anschließend in einem Bett aus Spanplatten. Sie sollten bewerten, wie gut sie geschlafen hatten. Laut den Ergebnissen zeigte sich kein nennenswerter Unterschied zwischen den beiden Bettarten. Auch objektive Messungen wie Herzfrequenz oder EEG-Daten zeigten keine aussagekräftigen Resultate: Der Puls war im Zirbenbett zwar minimal niedriger, um weniger als drei Schläge pro Minute.
Aussagekraft stark eingeschränkt
Die Faktencheck Plattform „Medizin transparent“ bemängelt zudem die geringe Teilnehmerzahl und mehrere methodische Schwächen. Diese schränken den Expert:innen zufolge die Aussagekraft der Studie erheblich ein. Die Reduktion der Pulsschläge um weniger als drei Schläge pro Minute sind als „nicht medizinisch relevant“ anzusehen. Unklar bleibt etwa, ob die Teilnehmenden überhaupt unter Schlafproblemen litten oder ob äußere Faktoren wie Temperatur, Lichtverhältnisse oder Stresslevel den Schlaf beeinflussten. Hinzu kommt, dass die Untersuchung im Auftrag des Tiroler Waldbesitzerverbands und mit Unterstützung der Zirbenholz-Industrie durchgeführt wurde – ein Interessenkonflikt, der die Neutralität der Ergebnisse infrage stellt, so die Fakten-Checker.
Zirbenöl-Versuch: Systolischer RR sinkt
In der Zirbenöl Studie der Universität Wien wurden 30 Probanden im Alter von 18 bis 35 Jahren rekrutiert. Sie durften unter anderem nicht unter Asthma leiden und mussten Nicht-Raucher sein. Nach dem Riechen von Zirbenöl wurde der Einfluss auf den Blutdruck und die Stimmungslage der Studienteilnehmer:innen beobachtet. Eine weitere Gruppe führte den gleichen Versuchsaufbau mit Orangenöl oder keinem Geruch (die Kontrollgruppe) durch.
Der Diplomarbeit zufolge zeigte sich im Gesamtkollektiv hinsichtlich des systolischen Blutdrucks ein signifikanter Unterschied (p = 0.027) zwischen den drei Duftgruppen. Die Inhalation des Zirbenöls und des Orangenöls zeigte, im Gegensatz zur Kontrollgruppe, einen deutlich blutdrucksenkenden Effekt auf die Probanden. Der direkte Vergleich der Zirbengruppe mit der Kontrollgruppe ergab einen p-Wert von 0.039 und der Vergleich der Orangengruppe mit der Kontrollgruppe einen p-Wert von 0.018. Verglich man den blutdrucksenkenden Effekt des Zirbenöls und des Orangenöls untereinander, zeigte sich kein signifikanter Unterschied (p = 0.548) hinsichtlich ihrer blutdrucksenkenden Wirkstärke. Somit konnte kein spezifischer Effekt für das Zirbenöl an sich gefunden werden. Der Blutdruck der Versuchspersonen während der Sitzung ohne Duft hatte sich nicht signifikant verändert, während die beiden Düfte zu einem signifikanten Abfall des Blutdrucks führten.
Beim diastolischen Blutdruck zeigte sich den Studienautoren zufolge kein signifikanter Unterschied (p = 0.906) im Gesamtkollektiv zwischen den drei Duftbedingungen.
Effekt auf die Stimmung
Hinsichtlich der Wohlbefindens und der Stimmung konnte für die Inhalation des Zirbenöls eine stark beruhigende Wirkung auf die Probanden gezeigt werden. Der entspannende Effekt fiel in der Orangengruppe um ein Vielfaches geringer aus. Zwischen der Zirben- und Orangengruppe ergab sich ein deutlich signifikanter Unterschied (p = 0.001) hinsichtlich des Parameters der Ruhe bzw. Unruhe. Die Probanden der Kontrollgruppe ohne Duft zeigten keine Veränderung ihrer Stimmungslage in der Zeit der Untersuchung.
Auch die Wachheit der Teilnehmer:innen konnte durch die Inhalation des Zirbenöls signifikant gesteigert werden. Sie fühlten sich den Angaben zufolge „ausgeruht und wach“. Wohingegen die Kontrollgruppe ohne Duft sich weiterhin „müde und schläfrig“ fühlte. Verglichen mit dem Orangen-Duft wirkte die Zirbe signifikant „erfrischender“ auf die Teilnehmer:innen (p= 0.074). Auch die Stimmungslage konnte nach der Inhalation gehoben werden; zwischen dem Orangen- und Zirbenduft war jedoch kein Unterschied messbar.
Fazit
Nach aktuellem Stand gibt es keine wissenschaftlich fundierten Belege, dass Zirbenholz die Schlafqualität verbessert oder einen gesundheitlichen Nutzen hat. Um eine solche Wirkung zu bestätigen, wären größere und methodisch strengere Studien erforderlich. Kleine Studien deuten Wirkungen von ätherischem Zirbenöl auf die Stimmung, den Blutdruck und das Allgemeinbefinden an.
Wer den Duft der Zirbe mag, kann dies ohne Bedenken genießen, denn allein die beruhigende Assoziation mit Natur und Wald kann subjektiv entspannend wirken. Doch aus wissenschaftlicher Sicht bleibt der „Zirbenschlaf“ jedoch ein bislang unbelegter Mythos.
