Menschen sind unterschiedlich, das zeigt sich auch täglich in der Apotheke. Manche Kundinnen und Kunden wollen ausführliche Beratung, andere nur eine rasche Abwicklung. Das Big-Five-Persönlichkeitsmodell bietet eine gute Möglichkeit, diese Unterschiede besser zu verstehen und gezielt in Kommunikation, Beratung und Teamarbeit zu nutzen.
Was ist das Big-Five-Modell?
Das Big-Five-Persönlichkeitsmodell, auch bekannt als Big Five, OCEAN, CANOE oder Fünf-Faktoren-Modell, ist eine international anerkannte Methode zur Beschreibung der Persönlichkeit. Es basiert auf fünf stabilen Persönlichkeitsdimensionen, die mithilfe standardisierter Fragebögen erfasst werden. Die Entwicklung des Modells reicht bis in die 1930er-Jahre zurück und zählt heute zu den am besten empirisch abgesicherten Persönlichkeitsmodellen der Psychologie.
Wichtig dabei: Das Modell beschreibt Persönlichkeitsmerkmale wertfrei und ordnet sie auf einem Kontinuum ein. Es gibt kein „gut“ oder „schlecht“, sondern unterschiedliche Ausprägungen mit jeweiligen Stärken und Herausforderungen.
Die fünf Persönlichkeitsfaktoren im Überblick
1. Offenheit für Erfahrungen (Openness)
Menschen mit hoher Offenheit sind neugierig, kreativ, ideenreich und neuen Ansätzen gegenüber aufgeschlossen. Sie interessieren sich für Hintergründe, Innovationen und Alternativen. Gering ausgeprägte Offenheit zeigt sich eher in einer Vorliebe für Bewährtes und klare Strukturen.
Relevanz für die Apotheke:
hohe Offenheit: Interesse an neuen Therapieoptionen, pflanzlichen Alternativen oder Studien
geringe Offenheit: Wunsch nach bekannten Präparaten und klaren Empfehlungen
2. Gewissenhaftigkeit (Conscientiousness)
Gewissenhafte Menschen arbeiten strukturiert, zuverlässig und zielorientiert. Sie legen Wert auf Ordnung, Genauigkeit und Planung. Niedrige Ausprägungen gehen eher mit Spontaneität und geringerer Struktur einher.
Relevanz für die Apotheke:
hohe Gewissenhaftigkeit: genaue Fragen zur Dosierung, Einnahmezeit und Wechselwirkungen
geringe Gewissenhaftigkeit: Bedarf an klaren, einfachen Einnahme-empfehlungen
3. Extraversion (Extraversion)
Extrovertierte Menschen sind gesellig, kommunikativ und beziehen Energie aus dem Austausch mit anderen. Introvertierte Personen sind nach innen orientiert, reflektiert und schätzen Ruhe sowie klare, sachliche Gespräche.
Relevanz für die Apotheke:
extrovertiert: offenes Beratungsgespräch, Small Talk, ausführlicher Austausch
introvertiert: kurze, präzise Information ohne Überforderung
4. Verträglichkeit (Agreeableness)
Eine hohe Verträglichkeit zeigt sich in Empathie, Hilfsbereitschaft und Harmoniebedürfnis. Geringe Verträglichkeit kann mit Durchsetzungsstärke, Skepsis und Konfliktbereitschaft einhergehen.
Relevanz für die Apotheke:
hohe Verträglichkeit: dankbare, kooperative Gesprächspartner
geringe Verträglichkeit: kritische Nachfragen, Diskussionen zu Preis oder Nutzen. Gerade hier hilft es, ruhig, sachlich und wertschätzend zu bleiben.
5. Neurotizismus (Neuroticism)
Dieser Faktor beschreibt die emotionale Stabilität. Menschen mit hoher Ausprägung reagieren empfindlicher auf Stress, Sorgen oder körperliche Symptome. Sie berichten häufiger über Beschwerden und empfinden Situationen schneller als belastend.
Relevanz für die Apotheke:
hoher Neurotizismus: erhöhte Beratungsbedürftigkeit, Ängste vor Nebenwirkungen
niedriger Neurotizismus: gelassener Umgang mit Erkrankung und Therapie
Eine klare, beruhigende Kommunikation kann hier viel Sicherheit vermitteln.
Hilfe des Big-Five-Modells in der Apotheke
Das Modell eignet sich nicht zur schnellen „Typisierung“, sondern zur Reflexion und besseren Einordnung von Verhalten. Im Apothekenalltag kann es helfen bei:
- der individuellen Kundenkommunikation
- dem Umgang mit schwierigen oder angespannten Beratungssituationen
- der Teamarbeit und Konfliktprävention
- der Führung und Personalentwicklung
- der eigenen Selbstreflexion im Berufsalltag
Gerade im Gesundheitsbereich, wo Emotionen, Sorgen und Zeitdruck zusammentreffen, kann ein Grundverständnis von Persönlichkeits-unterschieden die Qualität der Beratung deutlich verbessern.