Smart vorsorgen: SVS will neue Präventionswege gehen


Viktoria Gamsjäger

Generaldirektor Alexander Biach über Digitalisierung und Prävention.TARA24

Die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) und die Sozialversicherung der Selbständigen (SVS) luden am 8. Mai im Haus der Musik ein sich mit gesundheitlicher Vorsorge und ihren digitalen Aspekten auseinanderzusetzen. Es wurden Einblicke in die Gesundheitsprävention der SVS gewährt und auch konkrete Anwendungsbeispiele vorgestellt. Maßnahmen wie „Nudging“, das sanfte Anstupsen zu gesundheitsförderndem Verhalten, oder bereits einfache Erinnerungs-Apps können dazu beitragen, die Gesundheit zu fördern.

Dr. Alexander Biach, Generaldirektor der SVS, eröffnete seinen Vortrag mit einem Überblick über die österreichische Demographie: Rund 21 Prozent der österreichischen Bevölkerung sind älter als 65. Diese Zahl wird bis 2050 auf rund 28 Prozent ansteigen. Die Altersklasse der 36- bis 55-Jährigen, jene, die aktiv ins Pensions- und Gesundheitssystem einzahlen, ist hingegen weiter rückläufig.

„Die Ausgaben im Gesundheitssystem in Österreich liegen pro Kopf und Jahr bei rund 5.000€ für einen Menschen. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 80 Jahren kommt man auf eine Summe von 400.000€ in einer Lebensspanne“, so Biach. Diese Ausgaben würden mit der immer höheren Lebenserwartung weiter ansteigen und so müsse, laut dem Experten, in Prävention investiert werden, um das Gesundheitssystem nachhaltig zu stärken.

Einsparpotenziale nach Altersklassen 

Zudem wies er auf das enorme Einsparungspotenzial in den einzelnen Altersklassen hin. Würde es gelingen diese durchzusetzen, könnte man bis zu einem Viertel der derzeitigen Gesundheitskosten einsparen. 

Effiziente Maßnahmen gibt es schon bei Neugeborenen und Kleinkindern, etwa mittels Terminerinnerungen: „Durch sogenannte ‚automatisierte Impfprogramme‘ werden Eltern rechtzeitig an die Immunisierung ihrer Kinder erinnert. Wir sehen bei der Mumps-Masern-Röteln-Impfung, dass bei der ersten Impfung eine Rate von 95 Prozent erreicht wird. Diese ist noch in die verpflichtenden Eltern-Kind-Pass-Untersuchungen integriert. Hier sind wir also nahe am Wunsch der Herdenimmunität. Bei der zweiten Impfung erreichen wir hingegen nur noch eine Durchimpfungsrate von 80 Prozent. Die zweite Impfung wird häufig versäumt, weil hier keine Nachweispflicht mehr im Eltern-Kind-Pass besteht. Einige vergessen die Dosis schlichtweg. Genau hier setzen die automatisierten Erinnerungen an und tragen somit zu einer verbesserten Immunisierung bei“, gibt Biach als Beispiel.

Begrüßung durch die Bezirksobfrau und Bezirksobmänner der WKO: Dieter Steup, Alexander Biach (SVS), Maria Böhm und Klaus Brandhofer (v.l.n.r.)TARA24

Gerade bei Jugendlichen könnte durch KI-gestützte psychologische Beratung in Form von Chatbots die Versorgung ergänzt werden. „Diese Chatbots stehen den Jugendlichen rund um die Uhr zur Verfügung. Sie antworten in vertrauter, jugendnaher Sprache und sind niederschwellig erreichbar“, erläutert der Fachmann. 

Im Alter von 21 bis 50 würden eher chronische Krankheiten und Berufsunfälle die Hauptkosten auslösen. Durch „Wearables“ wie Smart Watches werden Gesundheitsparameter aufgezeichnet und könnten frühzeitig Hinweise auf Entgleisungen liefern. Diese präventive Maßnahme würde zu einer Reduktion von Krankenhausaufenthalten führen. Die Genesung bei Berufsunfällen könne durch eine digitale Therapiebegleitung unterstützt werden.

Operationen und chronische Erkrankungen verursachen die meisten Ausgaben in der Altersklasse der 51- bis 75-Jährigen. „Hier können digitale Patientenakten zu effizienteren Behandlungen und kürzeren Krankenhausaufenthalten führen“, berichtet der Vortragende.

Das größte Einsparungspotenzial liege bei der Gruppe der über 76-Jährigen. „Diese teils multimorbiden Patienten befinden sich häufig in Pflege oder sind im stationären Umfeld anzufinden“, führt er aus. Mithilfe von Robotern, die ein Umbetten von Patienten erleichtern, oder Sturzsensoren, die melden, wenn ein Mensch aufstehen möchte, soll das Pflegepersonal entlastet und sogar eine bessere Pflegekoordination ermöglicht werden. Durch den gezielten Einsatz von Smart-Home-Medizintechnik könnten künftig Krankenhausaufenthalte reduziert werden.

Prävention im Fokus: Eigenverantwortung und „Nudging“

Mittels „Nudging“, auf Deutsch Anstupsen, sollen die Versicherten sanft in Richtung von Präventionsmaßnahmen bewegt werden. So konnten 2023 etwa mit der Aktion „Gemeinsam vorsorgen“ rund 25 Prozent der SVS-Versicherten zu einer Vorsorgeuntersuchung motiviert werden. Als Anreiz bekamen jene mit bestätigtem Termin 100€ auf ihr Konto überwiesen. „Allzu leicht haben wir es den Menschen aber nicht gemacht – sie mussten sich mittels ID-Austria anmelden“, scherzt der Generaldirektor. „Alleine hier haben 25 Prozent unserer Versicherten dieses Angebot angenommen. Eine fantastische Rate, wenn man bedenkt, dass in Österreich allgemein nur 14 Prozent zu Vorsorgeuntersuchungen gehen. Bei den Selbständigen sind es überhaupt nur 10 Prozent.“ Im Jahr 2024 konnte man so über 100.000 Versicherte zu einem Zahnarztbesuch animieren und derzeit um die 45.000 Teilnehmer für die Krebsvorsorge gewinnen.

Digitale Gesundheitsanwendungen

Abschließend berichtet der Geschäftsführer noch über den Einsatz von digitalen Gesundheitsanwendungen, kurz DiGA . Diese Gesundheits-Apps werden als Medizinprodukt zugelassen und finden in Deutschland bereits eine breite Anwendung. Derzeit sind dort 69 Apps im Einsatz, von psychologischer Beratung bis hin zur Tinnitus-Behandlung. „Diese Apps sollen die ärztliche Behandlung ergänzen. Beispielsweise können physiotherapeutische Übungen von einem Tablet aus beobachtet werden. Sobald eine Übung falsch ausgeführt wird, erkennt dies die KI und gibt ein rotes Warnsignal. Dann wird gemeinsam an der richtigen Ausübung gearbeitet. Aktuell befindet sich eine App zur Begleitung der Herzinsuffizienz-Rehabilitation in Entwicklung“, erklärt Biach.  

Das erklärte Ziel lautet somit: Durch Prävention, Digitalisierung und dem Einsatz von Gesundheitsanwendungen die Gesundheit der Versicherten zu stärken und so das Gesundheitssystem langfristig zu entlasten.



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